Der sog. Gesundheitsfonds ist trotz massiver Beitragserhöhungen schon nach einem Jahr pleite. Komischerweise werden die Deutschen trotz Krise immer kranker - oder kranker diagnostiziert. Im Gegensatz zu früher, wo die Kassen um möglichst viele gesunde Mitglieder buhlten , sind neuerdings die Kranken und noch mehr die Schein-Kranken (früher wurden die auch mal als Simulanten beschimpft) die Lieblinge der Kassen. Eine Gesundheitsreform, wie für die AOK gemacht. Die hat - wen wunderts - auch am meisten vom Gesundheitsfonds profitiert. Mich würde ja nicht wundern, wenn irgendwann einmal durchsickert, dass der Gesetzgebungsprozess von unserer Ulla und Angie an die AOK outgesourcet wurde.
Woran liegt aber das Dilemma genau? Die Kassen bekommen für jeden Versicherten ganz sozialistisch einen einheitlichen Betrag aus dem großen Topf. Was dann noch übrig bleibt, wird für bestimmte Schwerstkranke Mitglieder (Schwangere) aufgewendet. Die AOK z.B. hat nun auf diese vom großen Kartell gesetzten Anreize reagiert und die Ärzte aufgefordert die Patienten etwas kranker zu diagnostizieren. Im Gegenzug spendiert die AOK höhere Honorare für die Ärzte. Eine klassische Win-Win-Situation. Zumindest für die AOK und die Ärzte.
Ansonsten befinden wir uns (mal wieder) in einem "schönen" Gefangenendilemma: Jede Kasse stellt sich besser, wenn sie den Gesundheitsfonds möglichst schnell und effizient plündert, obwohl es eigentlich besser wäre, wenn alle Kassen sich zügeln würden. Leider fehlt in diesem System ein Korrektiv: Der Wettbewerb über die Versicherungsbeiträge fehlt, die eigentlich systemimmanente Konkurrenz zwischen Kassen und Ärzten ebenso. Transparenz fehlte schon immer. Unsere Staatsratsvorsitzende, Angela Merkel, sieht trotzdem keinen Reformbedarf, sie müsste dann ja aktiv regieren. Außerdem bestünde ja die Gefahr, dass sie noch durch Reformeifer in die Geschichtsbücher eingeht. Und so werden die Beitragszahler wieder die Dummen sein, ihnen fehlt die Lobby gegen Kassen, Ärzte, Pharmakonzerne und Apotheker...
Update, 15.10.2010: Die Anreize wirken! Nach einem Panorama-Bericht werden die Deutschen v.a. bei den "lukrativen" chronischen Krankheiten immer kränker. Interessanterweise gerade im Jahr der Einführung des Krankheitsfonds 2008. Die Funktionsweise dieses Fonds wird in dem Beitrag übrigens auch schön visualisiert (ab ca. 2:25 min).
Die Anreize für Krankenkassen und Ärzte haben dabei noch ganz andere Auswirkungen - neben der reinen Umcodierung von normalen zu chronischen Krankheiten: Zum einen fressen sich diese chronischen Krankheiten in den Patientenakten fest, mit unabsehbaren Folgen im weiteren Verlauf, etwa bei privaten Zusatzversicherungen, Risikoaufschlägen aber auch Anstellungen mit besonderen Gesundheitsanforderungen.
Zusätzlich sind die Ärzte und Krankenkassen nicht mehr an einer Heilung der Patienten interessiert. Vorsorgemaßnahmen kosten nur noch Geld, erwirtschaften aber keine spätere Rendite mehr. Stattdessen könnte es sein, das Patienten auf ein möglichst kostengünstigen, aber dauerhaften krankenstand "therapiert" werden.
Ebenfalls zum Thema, ein Beitrag in der heutigen taz.