Wählen zu gehen, auch wenn die Stimme vermeintlich keinen Ausschlag gibt, hat für mich auch diesen Grund: Ich bin der Meinung, nur wer wählt, darf sich auch nachher über Johannes Jürgen Rüttgers oder Hannelore Kraft aufregen. Der prognostizierte knappe Wahlausgang in NRW lässt jedoch die nicht allzu häufig vorkommende Situation eintreten, dass die eigene Stimme zum Zünglein an der Waage werden könnte.
Nun gut, ganz so extrem wird es wahrscheinlich nicht werden, dass eine Stimme den Ausschlag gibt, aber einer von vielleicht einigen wenigen Hundert zu sein, die die Waagschale in die eine oder andere Richtung kippen lässt, ist doch mal ein neuer Ansporn zur Wahl zu gehen. Diesmal zählt die Ausrede nicht, dass es keinen Ausschlag gibt, ob man zur Wahlurne schreitet oder nicht. Und dies auch gleich in mehrfacher Hinsicht:
Es ist nicht nur fraglich, ob Jürgen Rüttgers eine zweite Amtszeit gegönnt wird; wer dies will, sollte ihn wählen. Es ist auch fraglich, ob es für Hannelore Kraft und Rot-Grün reicht, auch hier sollten diejenigen, denen das sympathisch ist, ein Kreuzchen machen. Aber auch an anderen Baustellen wird es spannend und die stark schwankenden Wahlprognosen lassen nicht nur Rüttgers und Kraft zittern. Vielleicht muss sogar die FDP um den Wiedereinzug in den Düsseldorfer Landtag zittern, für die Linken wird es aber auf jeden Fall knapp. Wer sie gerne im Landtag hätte, der sollte unbedingt zur Wahl gehen, aber auch wer dies verhindern möchte, hat keinen Grund zu Hause zu bleiben, der sollte sein Kreuzchen woanders machen.
Weniger wichtig, aber bei geringen Wahlbeteiligungen umso wichtigere, auf jeden Fall aber symbolträchtige Stimmen können jene sein, die Parteien geschenkt werden, denen der Sprung über die 5%-Hürde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gelingt. Zum einen zeigt ein hoher Anteil "sonstiger" Parteien, dass das Volk sich nicht mit der Beliebigkeit in der Politik abspeisen lässt. Zum anderen entzieht es auch den sog. Volksparteien die Legitimation der Volkspartei. Kann sich eine Partei noch Volkspartei nennen, wenn sie nicht einmal mehr 40% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen kann? Ohne die bei manchen Prognosen über 6% für "Splitterparteien" wäre es durchaus denkbar, dass zumindest die CDU die 40%-Marke reißen könnte. So gibt es jedoch zur Zeit keine Volksparteien mehr. Zu guter Letzt, können die Stimmen für "Splitterparteien" auch die etablierten wach rütteln. Dies hat z.B. der Achtungserfolg der Piraten bei der letzten Bundestagswahl gezeigt - auch wenn es häufig noch bei leeren Worthülsen blieb und Taten noch auf sich warten lassen. Und wer weiß, vielleicht reicht es für die eine oder andere "sonstige" Partei zu einem Achtungserfolg, die Grünen hatten auch einmal klein angefangen.
Gerade bei knappen Wahlausgängen tut jede Stimme weh, die nicht für die eigene Partei oder die Wunschkoalition abgegeben wurde. Eine geringe Wahlbeteiligung wird jedoch in der Regel zwar bedauert, häufig aber ignoriert. Die knappen Entscheidungen sind diesmal vielfältig: Schwarz/Gelb, Rot/Grün, Schwarz/Grün, Linke drin? Und wer sich für keinen der alten Garde erwärmen kann, dem bleiben eben noch die Splitterparteien. - Jede Stimme zählt.Verschenkt sie nicht.