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Rauchen für eine höhere Rente? [Update]

Ich hatte ja fast wieder zum Glimmstängel gegriffen, als ich die Überschrift und den Teaser im Spiegel gelesen hatte:

Raucher werden in der Regel nicht alt. Das ist bekannt. Doch neuerdings kann sich Rauchen auch bezahlt machen. Denn es gibt Policen, die Versicherten mit einer geringeren Lebenserwartung eine höhere Rente zahlen.

Das ist natürlich völliger Quatsch. Es gibt weder "mehr Geld" noch "mehr Rente". Das ganze folgt im Prinzip nur schnöder Finanz- und Versicherungsmathematik. Wenn man jedoch genauer hinschaut, ist es sogar ein Versuch die asymmetrische Informationsverteilung durch ein Screening aufzulösen.

Grundsätzlich funktioniert eine Versicherung ja so, dass die (verzinsten) Einzahlungen den Auszahlungen entsprechen. Zumindest im Durchschnitt stimmt dies. Manch einer bekommt jedoch mehr als es seinen Einzahlungen entspricht ausgezahlt (der sportliche Nichtraucher), manch einer weniger (der Kettenraucher – und dessen Angehörige). Für die Versicherung bleibt das insgesamt ein Nullsummenspiel (O.K., von Verwaltungskosten und Gewinnen mal abgesehen).

Schöner wäre es evtl. für beide Seiten (zumindest für den Raucher, siehe unten), wenn das individuelle Risiko irgendwie glaubhaft kommuniziert werden könnte. Aber wer glaubt schon einem Versicherungsnehmer, dass er Kettenraucher ist? Für 300 € mehr Rente im Monat würde ich mir 20 Sargnägel gleichzeitig in den Mund stecken – natürlich nur einmalig, wenn der Versicherungsmakler das Kreuzchen machen will. Da das also nicht möglich ist (weil fast alle versuchen würden zu bescheißen), werden alle über einen Kamm geschert.

Eine Möglichkeit besteht nun, bei denjenigen Versicherungsnehmern, die dies wollen, durch einen Gesundheitscheck die Raucherlunge und die damit statistisch niedrigere Lebenserwartung festzustellen. Er bekommt nun allerdings nicht, wie der Spiegel glaubhaft macht und uns alle zu Rauchern missionieren will, mehr Rente, sondern nur das, was ihm zusteht: seine Einzahlungen. Die Einsparungen durch die drei Jahre geringere Lebenserwartung macht dann eben 300 € im Monat aus. In der Summe bekommt er keinen Heller mehr als ein Nichtraucher.

Für die Versicherung ist das attraktiv, sie kann die Risiken besser trennen und einschätzen, der Raucher freut sich auch, da er nun nicht mit (gemessen an seiner Lebenserwartung) einer zu geringen Rente zusätzlich zu seinem kürzeren Leben bestraft wird. Der Nichtraucher wird sich wohl ärgern, denn ihm werden nun die vormals „gesparten“ Rentenzahlungen der Raucher wieder weggenommen. Doch ein Grund wieder das Rauchen anzufangen!? 

PS: Solch ein "Screening", d.h. durch richtiges Setzen von Anreizen die Risiken zu separieren, hat wahrscheinlich schon jeder einmal mitgemacht. Viele Versicherungen gibt es z.B. mit Selbstbehalttarifen. Z.B. die Kfz-Kaskoversicherung. Die guten Fahrer (Männer) wählen eine hohe Selbstbeteiligung, die Frauen eine niedrige :-)

Update: Auch die FTD ist nun auf den Zug aufgesprungen (nach zwei Wochen ist der Praktikant beim Spiegel-Archiv gelandet?) und berichtet ebenso mit dem falschen Eindruck erweckeneden Unterton, dass der schwer Kranke hier "mehr" bekommen würde. Bei genauem Lesen erweist sich dies ebenso als ein klassischer Fall von Finanzmathematik...

Maik Hetmank: