Nachdem Mutti sich entschieden hat, wird Vater Staat nun die geklaute CD mit Daten von angeblich 1.500 Steuersündern kaufen. Die öffentliche Meinung ist erschreckend eindeutig zustimmend. Ob der Staat dies darf? Ich habe meine Zweifel. Aber als juristischer Laie - im Strafrecht gleich dreimal - war ich mir unsicher. Thomas Stadler (Update: jetzt auch mit rechtlicher Würdigung, siehe auch die strafrechtsblogger) und der Deutsche Anwaltsverein sehen das jedoch ähnlich kritisch.
Interessant sind aber die Argumente, die für den Kauf des Datenklaus angebracht werden. Noch unfreiwillig komisch bis ironisch, aber die Plattheit der öffentlichen und leider auch journalistischen weit verbreiteten Meinung aufzeigend ist ein Kommentar in der Intellektuellen-Bild.* Für den Staat gelten andere Rechte und Gesetze. Interessant aber auch wer sich hieran beteiligt: Zum einen die ehemalige Volkspartei SPD, die aus Populismus nicht gegen einen Ankauf sein kann, die aber auch spätestens seit Schily als Innenminister jegliche rechtsstaatliche Grundsätze über Bord geworfen hat. Und natürlich unsere Hardliner von der Union. Mit Kanther, Schäuble & Co. haben wir hier auch Paradebeispiele für die Divergenz von Anspruch und Wirklichkeit.
Wo aber führt dieses Staatsverständnis hin? Es ist eine Aufforderung zum weiteren Gesetzesbruch. Im "günstigsten" Fall nur von weiteren Daten deutscher Steuerhinterzieher, im "mittel-günstigen" Fall der Andienung von anderen illegal erworbenen Hinweise auf Straftaten. Im schlimmsten Fall führt dies jedoch zu Selbstjustiz. Mal abgesehen davon, das sachdienliche Hinweise nur noch verkauft werden. Aber auch die Rechts- und Gesetzestreue der Bürger wird wieder einmal nachhaltig gestört. Warum sollte sich Otto-Normalbürger an Recht und Gesetz halten, wenn nicht einmal der Staat dies tut?
Wobei diese Entwicklung auch einen gewissen Charme haben kann, wenn man noch einmal an Kohl, Kanther & Co. denkt. So ist der Ankauf der Steuerdaten doch ein indirekter Aufruf in die Parteizentralen, Parteiarchive und Privatwohnungen einzubrechen, um dort die CDU-Spendenaffäre (oder andere Leichen im Keller) aufzuklären. Vor allem wenn hierdurch die Rückzahlung von zu Unrecht erhaltenen Steuergeldern erfolgen kann. Dies hätte dann wohl die gleiche Qualität wie die Steuersünder-CD.
*) Der Kommentar im ehemaligen Nachrichtenmagazin ist wahrlich amüsant. Da werden Entführungen, bei denen es um das Leib und Leben von Staatsbürgern geht mit einer lumpigen Steuerdatei verglichen. Da wird behauptet - und so sehen es unsere Volksvertreter anscheinend auch - der Staat müsse sich nicht an Gesetze halten, weil er es sonst auch nicht tut. Jedoch beim Kampf gegen Steuerhinterziehung Parallelen zum internationalen Terrorismus zu ziehen, das hat noch nicht einmal der Schäuble, Bosbach oder Wiefelspütz geschafft. Respekt!
Update: Ich bin ja mal gespannt, ob die Herren sich jetzt selber anzeigen. Die Experten haben vergessen den Ankauf der CD zu versteuern. Und solche Pfeifen wollen anderen erklären, sie hätten Steuern hinterzogen...
Update: Das ist jetzt bestimmt reiner Zufall und da besteht kein Zusammenhang: Die Landesregierung, welche die Steuersünder-CD gekauft hat, soll zur Steuerhinterziehung angestiftet haben. Aber zumindest wussten sie dadurch, dass sich die CD lohnt...