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Das Zeitinkonsistenzproblem mit der Steuerdaten-CD

Nach dem beschlossenen Ankauf der Steuersünder-CD schießen die Selbstanzeigen (aus nachvollziehbaren Gründen) in die Höhe. Und damit wird eigentlich der Kauf der CD überflüssig, denn die Sünder haben gestanden. Dies hatte auch ein Kommentar in einer großen deutschen Zeitung gefordert (ich finde leider den Link nicht mehr). Die Politik steht damit vor einem klassischen Zeitinkonsistenzproblem:* Die angekündigte Maßnahme wird überflüssig, da die Adressaten der Maßnahme ihr Verhalten (wie gewünscht) geändert haben. Nun kommen wir zum Problem (was auch der Kommentator nicht bedacht hat), dies funktioniert nur einmal, denn beim nächsten mal werden die Steuersünder nicht mehr glauben, dass der Staat die CD kaufen will. Und so wird der Staat wohl oder übel die CD kaufen müssen, auch wenn dies zum jetzigen Zeitpunkt ineffizient wäre.

Nun könnte man in diesem Fall meinen, dass das nichts macht, da man dann beim nächsten Mal einfach die CD kauft. In diesem speziellen Fall wäre die "Nicht-Verlässlichkeit" und "Nicht-Glaubwürdigkeit" der Politik kein Problem. Aber zum einen würden dem Staat dann später keine CDs mehr angeboten, da der Dieb sich nicht mehr sicher sein kann, dass er einen Abnehmer findet und nicht einfach nur als Drohung ausgenutzt wird. Zum anderen - und viel gewichtiger - verfehlt der Staat dann den Anreiz, dass sich die Steuerbürger gesetzestreu verhalten. Denn das sollte doch der wahre Kern des Ankaufs der CD sein: Liebe Bürger, zahlt brav eure Steuern, denn wir erwischen euch doch.

PS: Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich halte den Kauf der Steuer-CD nach wie vor für problematisch aus den hier genannten Gründen.

*) Das bekannteste Beispiel für das Zeitinkonsistenzproblem ist wohl die Ankündigung eines Tests in der Schule (oder an der Uni). Der Lehrer möchte, dass die Schüler den Stoff lernen. Und nur aus diesem Grund wird er eine Klausur ankündigen - einen anderen gibt es eigentlich nicht. Alle Schüler werden daraufhin den Stoff büffeln und zum Klausurtermin beherrschen. Nun lohnt sich der Aufwand einer Klausur aber nicht mehr. Das Ziel wurde erreicht. Der Lehrer könnte also die Klausur absagen. Beim nächsten mal würden die Schüler allerdings nicht mehr glauben, dass auf die Ankündigung auch tatsächlich eine Klausur stattfindet und nicht mehr lernen. Und so müssen wir uns wohl oder übel mit Klausuren rumplagen - auch wenn es nicht optimal ist.

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Maik Hetmank: