Das Umweltbundesamt forderte vor kurzem eine PKW-Maut. So schnell wie die Studie (Kurzfassung als pdf) auf dem Markt war, wurde sie auch schon wieder von allen Seiten verworfen. Verwundert war ich jedoch, dass ausgerechnet der Grüne Umwelt- und Verkehrssenator von Bremen, Reinhard Loske, die Maut ablehnte. Vor allem die Begründung ist erstaunlich - und zeugt von Unkenntnis. "Straßen sind öffentliche Güter."*
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Sind Straßen wirklich öffentliche Güter? Nach der allgemein anerkannten Definition offensichtlich nicht: Ein öffentliches Gut ist durch Nicht-Ausschließbarkeit und Nicht-Rivalität im Konsum gekennzeichnet. Nicht-Rivalität bedeutet, dass ein zusätzlicher Konsument den Nutzen aus dem Konsum des Gutes der anderen nicht beschränkt. Ich kenne jetzt die Autobahnen in Bremen nicht, aber wer im Ruhrgebiet die A40 oder Autobahnen um Köln, Frankfurt, Stuttgart, München oder anderswo befährt, ist von täglichen Staus geplagt. Rivalität im Konsum herrscht also sehr wohl. Straßen können somit allenfalls noch ein Allmendegut oder quasi-öffentliches Gut sein.
Kann man niemanden vom Konsum der Straßen ausschließen? Nein. Schon die Möglichkeit, eine Maut, also ein Eintrittsgeld zu verlangen, zeigt, dass ein Ausschluss möglich ist. Wer schon einmal in Italien oder Frankreich unterwegs war, der weiß, dass er ohne Zahlung nicht mal auf die Autobahn kommt. Aber auch die Kfz-Steuer ist ein verkapptes Eintrittsgeld für alle Straßen in Deutschland. Ebenso würde jede Privatperson oder Firma auf die Barrikaden gehen, wenn jeder die Straßen und Wege auf ihren Privatgrundstücken benutzen dürfte. Nur weil der deutsche Staat die Straßen gerne für alle zugänglich macht, wird aus ihnen noch lange kein öffentliches Gut. Wenn es in Bremen also vielleicht keine Staus gibt, so sind Straßen zumindest ein Klubgut.
Zusammengefasst können wir also feststellen, dass Straßen weder durch Nicht-Rivalität noch durch Nicht-Ausschließbarkeit per definitionem gekennzeichnet sind. Keine der beiden zentralen Eigenschaften trifft hier zu. Straßen sind ganz normale private Güter, ob ein Reinhard Loske, der ADAC, der Verkehrsminister oder wer auch immer gerne etwas anderes will, sie bleiben private Güter (in der Hand des Staates). - Sollte Loske ein anderes Verständnis von öffentlichen Gütern haben, so sollte er dies fairerweise vorher mitteilen.
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Aber nehmen wir einfach mal an, Loske hätte Recht. Straßen wären tatsächlich öffentliche Güter. Würde das gegen eine Maut sprechen? Nicht unbedingt. Öffentliche Güter haben ein großes Problem: die Finanzierung. Da jeder ein öffentliches Gut nutzen, also nicht davon ausgeschlossen werden kann, werden die meisten ihre wahre Zahlungsbereitschaft für dieses Gut nicht offenbaren. Sie können auch ohne Zahlung dieses Gut nutzen (Nicht-Ausschließbarkeit), ein klassisches Trittbrettfahrerproblem. Die Finanzierung öffentlicher Güter wird daher in der Regel auf die Allgemeinheit abgewälzt. Ein Grund warum Steuern gezahlt werden müssen. Irgendjemand muss also für das "öffentliche Gut Straße" zahlen, auch in Bremen fällt der Asphalt wohl nicht vom Himmel.* Kfz-Steuer, Mineralölsteuer oder aber eine Maut könnten die Finanzierung sicher stellen. Oder auch Nicht-Fahrer über die Mehrwert- und Einkommensteuer.
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Zusätzlich gibt es im Verkehrssektor jedoch noch ein (weiteres) Marktversagen: Negative externe Effekte in Form von Umweltverschmutzung. Im Gegensatz zu den positiven externen Effekten bei öffentlichen Gütern und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Unterversorgung, wird bei negativen externen Effekten zu viel konsumiert, als aus gesellschaftlicher Sicht optimal wäre. Dies kann man u.a. durch Kfz-Steuer, Mineralölsteuer oder eine Maut "bekämpfen". Eine Maut (wie auch die Mineralölsteuer) könnte also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Bereitstellung des vermeintlichen öffentlichen Gutes finanzieren und die negativen externen Effekte zurückdrängen.
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Fazit: Der Grüne Umwelt- und Verkehrssenator Loske liegt mit seiner Argumentation gegen eine PKW-Maut mehrfach falsch: Erstens sind Straßen, auch wenn sie öffentlich finanziert werden, keine öffentliche Güter. Die Finanzierung muss demnach nicht der Allgemeinheit auferlegt werden, sondern kann zweitens bedarfsgerecht über Mineralöl-, Kfz-Steuer oder aber eine Maut erfolgen. Drittens, verursacht der Straßenverkehr negative externe Effekte. Nach den vom Umweltbundesamt zitierten Berechnungen von Hirte** decken die Kfz- und Mineralölsteuer gerade einmal die Unterhaltskosten, die externen Effekte werden der Allgemeinheit zur Last gelegt. Auch hier könnte eine Maut neben den bekannten Instrumenten Abhilfe schaffen.
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Nachtrag I: Es könnten natürlich andere Gründe gegen eine Maut sprechen, die Herr Loske aber gar nicht ins Feld führt. Gegen die vom Umweltbundesamt fahrleistungsbezogene Maut könnte u.a. der Datenschutz und die aufzeichenbaren Bewegungsprofile der Verkehrsteilnehmer zählen. Ebenso die hohen Transaktionskosten.
Nachtrag II: Reinhard Loske war Forscher am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie und Adam-Smith-Preisträger 2008 des FÖS, dieser wird vergeben für
wissenschaftliche, politische oder publizistische Beiträge für die Entwicklung und den Einsatz marktorientierter Umweltinstrumente und für die Stärkung des Verursacherprinzips.
Eine PKW-Maut ist sowohl ein marktorientiertes Instrument und genügt auch dem Verursacherprinzip.
*Komischerweise befürwortet Loske jedoch eine City-Maut. Hier stellt sich die Frage, ob die Straßen in Bremen keine öffentlichen Güter nach Loske'scher Definition sind. Warum sollten Straßen am Ortseingangsschild von einem öffentlichen zu einem privaten Gut werden?
**Hinweis: Die Studie von Hirte ist eine Auftragsstudie des Lobby-Vereins "Allianz pro Schiene". Ich habe die Daten nicht überprüft. Es gibt (zahlreiche) Studien, die zu ähnlichen, aber auch zu gegenteiligen Ergebnissen kommen. Zu beachten ist hierbei jedoch, ob bei der Aufrechnung des Nutzen des Verkehrs fairerweise nur externe positive Nutzen herangezogen werden. Hieran krankt u.a. auch die Auftragsstudie des ADAC.
[Anmerkung: Ich bin Berufspendler und wäre somit auch von einer Maut betroffen.]