Am 11.09.2001 hat sich die Welt verändert. Sie hat sich verändert, weil wir in eine Schockstarre verfallen sind. Und seitdem aus dieser Schockstarre nicht wieder erwachten. Schuld daran sind jedoch nicht nur die Terroristen.
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Nutznießer dieser Anschläge vom 11. September waren auch die sog. Innen- und Sicherheitspolitiker. Angefangen von Otto Schily über Wolfgang Schäuble, Wolfgang Bösbach und Dieter Wiefelspütz bis hin zum neuen rechtsnationalen Oberterroristen Hans-Peter Friedrich. Sie haben schamlos die Terroranschläge ausgenutzt und sind allzu bereitwillig auf den Kreuzzug des George W. Bush aufgesprungen, um mit ihren sog. Sicherheits- und AntiTerrorgesetzen die Freiheit der Bürger einschränken zu können.
Sie tun dies mit Gesetzen, die für die Terrorismusbekämpfung ungeeignet, ineffizient oder gar kontraproduktiv sind. Sie schieben den Anti-Terrorkampf vor, um ihre Bevölkerung auszuspionieren, zu kategorisieren und zu verfolgen. Nicht der Terrorist macht diesen Politikern Angst, es ist der eigene Bürger. Vor diesem wollen sie sich schützen und schieben den Schutz der Bevölkerung vor den Terroristen vor. Dies ist auch der Grund, weshalb bei jedem Anschlag schon reflexartig zunächst die islamistische Terrorkeule ausgepackt wird (vgl. die Anschläge von Oslo)*. Terrorpanik (=Terrorwarn- und -gefahrenstufe) muss möglichst hoch gehalten werden, damit kritische Nachfragen des eigenen politischen Handelns polemisch unterdrückt werden können ("linksliberale Fundamentalisten").
Seit zehn Jahren lassen wir uns terrorisieren und kriminalisieren. Verdachtsunabhängig werden von uns Daten gesammelt und weitergeleitet – natürlich zu unserer eigenen Sicherheit. Wenn man sich die Entführungsfälle Kurnaz und al-Masri anschaut, mag man sich gar nicht ausmalen selbst Opfer einer fatalen Verwechslung oder falschen Anschuldigung zu werden. Vom deutschen Staat hat man wohl keine Hilfe zu erwarten. Ich habe mehr Angst vor deutschen Behörden und Politikern als vor islamistischen Terroristen – die Wahrscheinlichkeit Opfer von letzteren zu werden dürfte auch weitaus geringer sein.
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Profiteure dieses Verfolgungswahns sind jedoch auch diejenigen, die man eigentlich bekämpfen und vor denen man uns schützen will. Sie sind die eigentlichen "Sieger" des 11. September 2001 und dieses verlorenen Jahrzehnts: die islamistischen Terroristen, die Taliban, al-Qaida, Osama bin Laden etc. Sie brauchen gar keine Terroranschläge bei uns mehr verüben, für Panik und Angst sorgen wir schon selber.
Was kann es für einen Terroristen besseres geben, als wenn sich ein Staat seiner Freiheit selbst beraubt? Anschläge zur Einschüchterung der Bevölkerung müssen überhaupt nicht mehr verübt werden, wir sind so in Panik, dass bei jeder vergessenen Tasche am Bahnhof Terroralarm inkl. Evakuierung ausgerufen wird.
Der GAU für einen Terroristen muss doch die norwegische Art sein mit Terroranschlägen umzugehen: "[... W]ir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit." Erst dann laufen die Ziele der Terroristen ins Leere, wenn sie merken, dass sich ein Volk nicht einschüchtern lässt.
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* Ein großer Verlierer der Anschläge vom 11. September 2001 ist sicherlich der Journalismus, ist die vierte Gewalt. Die Metamorphose vom investigativen und Informationsjournalismus zum embedded Mikrofonhalter hat sich beschleunigt. Nicht, dass diese Entwicklung auch ohne die Terroranschläge stattgefunden hätte, aber in dieser Intensität war dies vor 10 Jahren wohl noch nicht absehbar. Wo sind die großen öffentlichkeitswirksamen und meinungsbildenden Medien, die die Antiterrorgesetze kritisch hinterfragen? Wir sind mittlerweile soweit, dass nicht einmal mehr bei Eingriffen in die Pressefreiheit von Seiten der Medien protestiert wird. Wegen dem Spiegel würde heute wohl keiner mehr auf die Straße gehen.