Heute morgen höre ich im Auto bei wdr2 ein Interview mit Dieter Wiefelspütz. Er, der Verfechter eines Verbots, hält Paintball weiterhin für sittenwidrig und menschenverachtend. Aber auf sein Drängen hin, wird es nun doch kein Verbot geben. Er persönlich hat sich dafür eingesetzt, dass das Verbot noch einmal überdacht wird. Auf Nachfrage der Moderatorin Gudrun Höpker, stellt er die Gegenfrage, ob sie das für widersprüchlich hält. Mich hätte es fast vom Fahrersitz geschleudert. Bei 120 auf der A40 keine nette Sache.
Nochmal zum Mitschreiben und auf der Zunge zergehen lassen: Herr Wiefelspütz ist (und bleibt) der festen Überzeugung, dass Paintball sittenwidrig und menschenverachtend ist, will aber nun plötzlich nichts mehr von einem Verbot wissen. Grund: Er hat sich da in was verrannt und man müsse da nochmals genauer drüber nachdenken, es hätte neue Überlegungen gegeben. Das nennt man dann wohl einen Gesetzesvorschlag gewiefelsputzt. Komisch vor zwei Tagen klang das noch anders:
Verbotsgrund ist nach meiner Überzeugung die Sittenwidrigkeit bzw.die Verletzung der Menschenwürde. Das sind Rechtsfragen. Ich bin nicht nur Volksvertreter, sondern auch Rechtswissenschaftler. Ich benötige keine wissenschaftlichen Gutachten, um Fragen der Menschenwürde zu beurteilen. Das kann ich selber. (Hervorhebungen von mir)
Und am 09.05.2009:
Ich prüfe sorgfältig alle Argumente, bevor ich mich entscheide. Immer. (Hervorhebung von mir)
Na so sorgfältig kann er hier aber nicht geprüft haben, wenn er jetzt noch mal nachjustieren muss und als Rechtwissenschaftler sollte er doch selber wissen, ob es für ein Verbot reicht, denn er braucht doch dafür keine weitere Expertisen! Naja, wenigstens bleibt er seiner Linie treu: Gegen Kinderpornographie hat er ja auch was, aber für sinnvolle Maßnahmen setzt er sich da ja auch nicht ein.
Wie schnell sich der Wind so im Parlament dreht, kann man auch hieran sehen: Am 13.05.2009 sagt Herr Wiefelspütz:
Nach meiner Einschätzung wird das Paintballverbot von einer breiten politischen Mehrheit im Deutschen Bundestag, parteiübergreifend, aber auch bund/länderübergreifend befürwortet.
Im wdr2 Interview heute hingegen, weist er darauf hin, dass es erhebliche Bedenken in den Fraktionen des Dt. Bundestages gibt. Na, die werden doch nicht alle über Nacht ihre Meinung geändert haben?
Ich habe nichts gegen Politiker, die ihre Meinung nach einer Diskussion oder Debatte ändern. Jeder kann sich mal geirrt haben und dafür sind Diskussionen ja auch da, dass man Fehler erkennt und sie korrigieren kann. Ich habe aber etwas gegen Leute, die nicht die Eier haben für ihre Überzeugung einzustehen, die ohne halbwegs informiert zu sein irgendwas dahin labern. Das ist Stammtischniveau und des Deutschen Bundestages unwürdig. Ich habe etwas gegen reine Symbolpolitik, hier wird eine lobbyarme Gruppe geächtet, an die anderen, die mit echten Waffen rumballern, traut man sich nicht heran.
Um mich nicht auf das selbe Niveau, wie das von Herrn Wiefelspütz herabzulassen, hier noch einige Fakten (die Herr Wiefelspütz trotz sorgfältiger Prüfung und in Rechtsfragen hervorragen bewandert nicht zu kennen scheint): Ein Verbot von Paintball, weil es die Menschenwürde verletzt, wurde bereits 2007 vom Stuttgarter Verwaltungsgericht abgelehnt. Darüber hinaus sind die Überlegungen von Herrn Wiefelspütz, die Altersgrenze anzuheben oder das Tragen von Uniform zu verbieten, ad absurdum und zeugen von der Inkompetenz in dieser Frage: Es besteht bereits eine Altersgrenze von 18 Jahren, darüber hinaus ist Kindern und Jugendlichen der Zutritt zur Halle aufgrund obigen Gerichtsurteils untersagt. Ebenso sind Tarnkleidung sowie Uniformen verboten.
Disclosure: Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht: Ich bin gegen ein Verbot von Paintball. Nicht, weil ich das selber spiele oder geil finde. Nein, ich kann mit diesem Farbgeballere nichts anfangen und versteh auch nicht, wie man so was toll finden kann (ich verlange allerdings auch nicht, dass man meinen Freizeitbeschäftigungen etwas abringen kann). Im Gegensatz zu manch anderen akzeptiere ich aber, dass es Leute gibt, die diesem "Freizeitvergnügen" nachgehen wollen. Allerdings ist meine Abneigung gegen ein Verbot nicht auf reiner Toleranz gebaut, sondern auch, weil ich keine Kausalität zu Amokläufen oder einer dadurch induzierten größeren Gewaltbereitschaft erkennen kann. Nur weil mir etwas nicht passt, mir etwas nicht gefällt, verbiete ich es noch lange nicht.
Update: Politplatschquatsch über den Doktor und das liebe Stimmvieh - eine kleine Zusammenstellung und Analyse der Wiefelspützchen abgeordnetenwatch-Antworten.
Update, 01.05.2010: Herrn Wiefelspütz und anderen wurde gerade noch mal aktuell vom OVG Lüneburg bescheinigt: Paintball verstößt nicht gegen die Menschenwürde.