Wer heute die Pressemitteilung der SPD "Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie wird überarbeitet" gelesen hat, der fragte sich, ob die Sozen bei der selben Anhörung waren. Einige Äußerungen waren doch sehr befremdlich, man muss sie aber nur einmal ins Deutsche übersetzen:
Der wirksame Kampf gegen Kinderpornografie erfordert eine Vielzahl von Maßnahmen. Fast alle meinen, in diesem Rahmen könne die Sperrung von kinderpornografischen Internetseiten unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Maßnahme sein.
(Hervorhebungen von mir)
Schaut man sich die Stellungnahmen einmal an, so ist die Aussage nicht grundsätzlich falsch, aber doch sehr irreführend. Um die Feststellung "fast alle" aufrecht halten zu können, muss man sich die weiteren Hervorhebungen anschauen: "könne" und "unter bestimmten Voraussetzungen".
Hier ist also nicht davon die Rede, dass "fast alle" Internetsperren für sinnvoll halten. Sie können es nur sein. Uneingeschränkte Zustimmung erfährt der Gesetzesvorschlag lediglich von einer Minderheit der "Experten". Vom BKA einmal abgesehen sind dies noch Prof. Dr. Oberheider und der VATM. Allerdings betrachten beide Sachverständige den Gesetzesvorschlag ohne Alternativenabwägung. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar geht lediglich auf datenschutzrechtliche Dinge ein - eine Unbedenklichkeitserklärung seinerseits wäre also nicht (kausal) mit einer Zustimmung zu bewerten.
Zwei Stellungnahmen lehnen Internetsperren ab: Dr. Dieter Frey und der DIHK. Der große Rest ist unter dem Schlagwort "unter bestimmte Voraussetzungen" zu betrachten. Schauen wir uns diese Voraussetzungen einmal an, so lassen sie sich kurz und knapp zusammenfassen, dass Internetsperren nur dann ein sinnvolles Instrument sein können, wenn andere Maßnahmen nicht greifen. Dies gilt insb. ausschließlich für außereuropäische Webseiten, auf die kein Zugriff besteht, d.h. die nicht gelöscht werden können. Bei allen europäischen Seiten (und jenen außereuropäischen, wo dies möglich ist) soll der Grundsatz gelten: Löschen geht vor sperren! (Subsidaritätsprinzip) Sperren kann allenfalls die "ultima ratio" sein.
Insofern muss es richtiger heißen:
Der wirksame Kampf gegen Kinderpornografie erfordert eine Vielzahl von Maßnahmen. Fast alle meinen, in diesem Rahmen sei die Löschung von kinderpornografischen Internetseiten die sinnvolle Maßnahme. Lediglich unter sehr bestimmten Voraussetzungen könne die Sperrung von kinderpornografischen Internetseiten eine zusätzliche Maßnahme darstellen.
Ein weiterer Punkt der Pressemitteilung:
Keiner der geladenen Sachverständigen hat die Auffassung vertreten, dass prinzipielle Gründe von vornherein gegen Internetsperren gegen Kinderpornografie sprechen.
Auch diese Aussage ist so nicht falsch und doch wieder irreführend. Es sprechen keine prinzipiellen Gründe gegen Internetsperren, "lediglich" verfassungsrechtliche. Dies ist u.a. in den Stellungnahmen von RA Dr. Frey und PD Dr. Bäcker nachzulesen. Darüberhinaus fehlt es der Bundesregierung an der Gesetzgebungs- und dem BKA an der Verwaltungskompetenz (Juristendeutsch für: Sie sind nicht zuständig).
Sehr interessant ist auch der letzte Satz, der die Zurechnungsfähigkeit der SPD völlig anzweifeln lässt:
"Der wichtige Kampf gegen Kinderpornografie im Internet und die Rechte der Internet-Nutzer müssen sich nicht ausschließen. Dies kann aber aus unserer Sicht nur auf rechtsstaatlicher Grundlage und nicht auf der Basis von rechtlich fragwürdigen Verträgen zwischen dem BKA und den Internetprovidern erfolgen. Solch weitreichende Maßnahmen, und auch dies hat die Anhörung klar bestätigt, sind aus unserer Sicht nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage und in einem rechtsstaatlichen Verfahren denkbar und möglich."
Von Verträgen zwischen BKA und Providern geht nicht mal mehr die Zensur-Ursel aus. Es geht seit geraumer Zeit schon um eine gesetzlich verankerte Zensur und die will die SPD jetzt auch dingfest machen. Herzlichen Glückwunsch, SPD, ein Grund mehr euch nicht zu wählen.
Update: Auch die CDU war anscheinend auf einer anderen Veranstaltung. Die SPD rudert dafür wieder etwas zurück. Eine Zusammenfassung der Positionen des großen Kartells (und der anderen Parteien) gibt es u.a. bei netzpolitik.