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Atomkraft: Weniger Staat!

"Weniger Staat" ist eigentlich mit eine der zentralen Forderungen der Parteien der aktuellen Regierungskoalition. Der Staat kann sich nicht um alles kümmern. Selbstverantwortung stärken. Eigeninitiative. Eigenartigerweise scheint dies für die Kernkraft nicht zu gelten. Denn Umweltminister Röttgen sagte kürzlich:

Wir haben Kernenergie in der Vergangenheit genutzt und diese Folgen müssen wir heute tragen. Dafür zahlen wir Steuern - das ist so.

Das ist so - nicht haltbar. In mehrerer Hinsicht. Ein Grund, dass der Staat einspringt - und eine elementare Begründung für staatliches Handeln und die Erhebung von Steuern - ist, dass es sich beim Atommüll bzw. dem Transport um ein öffentliches Gut handeln müsste. Dieses ist gekennzeichnet durch Nicht-Rivalität im Konsum und Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum. Die nationale Verteidigung ist ein klassisches Beispiel für ein öffentliches Gut. Für die Verteidigung würde wohl niemand seine wahre Zahlungsbereitschaft offenbaren, profitieren von dem Schutz möchte aber jeder gerne - zumindest als der Russe noch vor der Tür stand. Deswegen zahlen wir Steuern.

Um ein öffentliches Gut handelt es sich jedoch weder beim Atommüll noch beim Transport. In Gorleben oder im Atomkraftwerk kommt niemand Fremdes in den "Genuss" der strahlenden Fässer. Und der Transport ist ein privates Vergnügen. Wie mein Hausmüll auch. Deswegen zahlen wir Müllgebühren und keine Steuern.* Genauso kann der Polizeischutz des Transports als privates Vergnügen von den Kernkraftwerksbetreibern bezahlt werden. Das geht jedem so, der die Polizei für private Vergnügen "bucht". Das hat nichts mit einer Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols zu tun, Herr Söder.

Ersatzweise könnte man hier noch ein besonderes öffentliches Interesse und eine Gemeinwohlaufgabe des Staates anerkennen. So fällt z.B. der "Polizeischutz" bei politischen Demonstrationen darunter. Bei Fußballspielen der Profivereine ist die Sachlage jedoch schon differenzierter. Beim Atommüll oder der Kernenergiegewinnung ist dieses übergeordnete öffentliche Interesse aber nur schwer erkennbar. Und selbst wenn, könnte eine finanzielle Beteiligung des Staates ausbleiben, da nicht zu befürchten ist, dass ohne staatliche Unterstützung die Kernenergiegewinnung ausbleiben würde.

Dann würde es sich nämlich um externe Effekte handeln. In diesem Fall wird ein Handeln nicht ausreichend durch den Markt abgegolten, weil u.a. Eigentumsrechte fehlen oder diese nur schwer durchzusetzen sind. Auch die Vergabe und die Überwachung von Eigentumsrechten ist eine originäre Begründung für die Existenz eines Staates.

Positive Externalitäten wird man bei der Kernkraft und erst Recht beim Atommüll bzw. dem Transport nur schwer entdecken können. Die billigere Stromerzeugung wurde über den Markt abgegolten. Zumal nicht der Preis der Stromerzeugung für Kernenergie von den Kunden verlangt wurde und wird, sondern für viel teurere Energie aus fossilen Brennstoffen. Wenn es demnach positive Externalitäten geben sollte, wurden diese zumindest über den höheren Strompreis den Energieunternehmen bereits über den Markt entlohnt. Eine Subventionierung der Kernenergie aufgrund positiver Externalitäten - und damit zu geringer Produktion - ist somit nicht ausreichend begründet.

Für negative externe Effekte könnte der Staat in der Tat Steuern erheben. So kann z.B. die Tabaksteuer oder die Ökosteuer auch mit negativen Externalitäten begründet werden. Eine allgemeine Steuer kann jedoch die negativen externen Effekte nicht internalisieren. Eine Atomstrom- oder die jetzt eingeführte Brennelementesteuer hingegen schon.

Aber der Staat könnte es noch einfacher haben. Er könnte sich aus der ganzen aufwendigen Verwaltung des Atommülls zurückziehen. Der Müll gehört den Energieunternehmen, für die Entsorgung müssen sie selber sorgen. Der Staat müsste "nur" die Rahmenbedingungen für einen sicheren Transport und die (End-)Lagerung setzen. In Form von Auflagen. Das wäre in vielerlei Hinsicht effizienter. Die Unternehmen können i.d.R. die zu erwartenden Kosten genauer abschätzen und diese in die Strompreise einkalkulieren. Besser als jede Steuer.

Aber auch die Suche nach einem Endlager würde von den Unternehmen zielgerichteter und ergebnisoffener stattfinden. Ein Interesse an einer (kostenverursachenden) Verschleppung bei der Suche oder eine Verengung der Suche auf einen umstrittenen Standort hätte ein Unternehmen wohl kaum. Nur die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Produziert darf etwa nur werden, wenn die Entsorgung sicher gestellt ist und die letztendliche Kontrolle des sicheren Transports und der Endlagerung muss natürlich beim Staat verbleiben. Die Anreize zur zielgerichteten und ergebnisoffenen Suche müssen richtig gesetzt werden.

Die von der schwarz-gelben Koalition oft beschworene Abkehr von der Vollkaskoversorgung durch den Staat hätte hier ein hervorragendes Objekt gefunden. Verursachergerecht wäre die Umverteilung der Aufgaben obendrein. Aber dies wäre dann wohl eine zu ideologielose Politik, die man dann doch lieber nur von anderen fordert.

* Als Steuer wird eine Geldleistung ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung bezeichnet, eine Gebühr hat hingegen eine zurechenbare Gegenleistung zur Folge. Diese Gebühr kann sogar verursachergerecht erhoben werden (z.B. nach Anzahl und Größe der Mülltonne).

Maik Hetmank: