Die FDP möchte ja per Definition garant für einen funktionsfähigen Markt sein. Im Augenblick streiten sich die "Marktradikalen" mit den "Linken" über das bessere Konzept. Die FDP möchte die von Rot-Grün eingeführten asymmetrischen Kündigungsfristen wieder rückgängig machen. Abgesehen von der Frage, ob Mieter und Vermieter die gleichen langen oder kurzen Kündigungsfristen haben sollten, gibt es vielleicht auch gute (ökonomische) Gründe für die längeren Kündigungsfristen durch Vermieter?
Auch wenn man Ökonomen im Allgemeinen gerne nachsagt, dass Sie Eingriffe des Staates in den Markt (generell) ablehnend gegenüberstehen, so gibt es einige Marktfriktionen, bei denen dies allgemein anerkannt ist. Einer dieser Friktionen sind asymmetrische Informationen, d.h., dass eine Marktseite besser informiert ist als die andere Marktseite. Wir müssen noch hinzufügen, dass die besser informierte Marktseite nicht in der Lage oder Willens ist ihren Informationsvorsprung der anderen Seite mitzuteilen. Aus diesem Grund gibt es staatliche Reglementierungen (z.B. Pflichtversicherung: KfZ-Haftpflicht, GKV, GRV) oder privatwirtschaftliche Lösungen (z.B. durch Anreizverträge, man denke etwa an die Selbstbehalte oder Beitragsrückgewähr in Versicherungstarifen).
Da wir schon bei Versicherungen sind: Ähnlich wie hier ein sog. Moral Hazard auftreten kann, d.h., dass man sich nach Vertragsschluss anders verhält als ohne (Versicherungs)Vertrag, ändert sich bei Mietverträgen das Vertragsverhältnis fundamental nach Vertragsabschluss. Besteht zwischen den beiden Parteien (Vermieter und potenzieller Mieter) vor Vertragsabschluss noch "Waffengleichheit", besteht für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrages ein gewisser "Lock-In", der sich mit der Mietdauer erhöht.
Dieser Lock-In besteht für den Mieter aus spezifischen Investitionen, deren (nicht nur monetären) Kosten zum Großteil versunken (unwiderruflich verloren) sind: Der Umzug ist bezahlt, persönliche Beziehungen zur Nachbarschaft sind aufgebaut, Vereine, Kindergärten oder Schulen gefunden. War der Mieter vor dem Umzug noch (relativ) frei in seiner Entscheidung und in einer Wettbewerbssituation mit dem Vermieter, so ist er nun an seine Investition gebunden und "erpressbar".
Der Vermieter kann also nach Vertragsabschluss die Miete erhöhen. Er würde dies bis zur maximal vom Mieter verschmerzbaren Grenze tun (so dass er gerade noch nicht kündigt). Die verschmerzbare Grenze ist jene, bei dem sich die oben genannten Investitionen für den Mieter gerade noch lohnen (Ökonomen würden hierzu Abschöpfung der Quasi-Rente sagen). Dieses "erpresserische Verhalten" des Vermieters nennt man auch "hold-up" und ist aus der Principal-Agent-Theorie bekannt. Die Lösung dieses Problems könnten nun Kündigungsschutz und Mietpreisgarantien sein.
Allerdings (oh Gott, warum kann die Welt nicht einfach sein?) treten durch diese Lösungsmöglichkeiten neue Probleme auf bzw. werden diese verschärft: Der Mieter geht nicht mehr so sorgsam mit der Mietsache um, er hat wenig Interesse, die Wohnung zum Ende der Miete im Wert zu erhalten: Moral Hazard, wir erinnern uns. Das muss nun aber nicht heißen, dass deswegen die längeren Kündigungsfristen für Mieter wieder abgeschafft oder diejenigen für Vermieter an die für Mieter angepasst werden müssten. Hier gibt es andere Methoden: außerordentliche Kündigungen, Mietkautionen oder Abwälzung der Renovierungspflichten.
Fazit: Die längeren Kündigungsfristen für Mieter haben ihre Berechtigung, um dem "hold-up" durch Vermieter entgegenzuwirken. Eine Angleichung der Kündigungsfristen, wie von der FDP gefordert, ohne eine Gegenmaßnahme an anderer Stelle, widerspricht dem Marktprinzip, da Marktfriktionen der Funktionsfähigkeit des Marktes entgegenstehen. Will die FDP die Rechte der Vermieter stärken bzw. wieder(?) denen der Mieter angleichen, so sollten andere Schauplätze gesucht werden. Das Problem z.B. der Mietnomaden darf sicherlich nicht unterschätzt werden und stellt ein hohes finanzielles Risiko für Vermieter dar.
Die Verkürzung der Kündigungsfristen für Mieter stellt jedoch keine ausreichende Lösung dar, zumal neue alte Probleme wieder hervorgerufen/verstärkt werden. Die Energie der Entscheidungsträger (geht es ihnen um einen funktionsfähigen Markt sowie gleichberechtigte Vertragspartner und nicht um Klientelpolitik - bei der FDP vermuten wir natürlich(?) ersteres) sollte daher an anderer Stelle angebracht sein.
Update: Zur Motivation der FDP