In einem Handelsblatt-Interview äußert sich der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auch zur aktuellen Finanzkrise und welche Lösungen die Union in der Schublade hat:
Kurzfristig müssen wir etwas anderes machen (...). Dazu gehört (...) nun eben auch eine starke Nachfragepolitik. Dem sollte sich die Union nicht mehr verschließen, wir müssen umdenken - ja sogar durchaus keynesianisch.
Bevor Sie aber gleich feuchte Augen bekommen, Steuersenkungen zieht Schäuble nicht in Betracht. Dies liegt nicht nur an der SPD, sondern:
Die deutsche Besonderheit ist doch, dass Deutsche in einer Krise mehr sparen. Eine die Wirtschaft stimulierende Wirkung lässt sich deshalb weder mit einer Mehrwertsteuersenkung wie in Großbritannien noch durch allgemeine Steuersenkungen erreichen.
Ja, was denn nun? Wenn die deutschen zu viel sparen, dann verpufft die Nachfragepolitik die Schäuble oben fordert. Warum fordert er sie aber dann, wenn er sie selbst weiter unten als wirkungslos hinstellt?
Wenn man sich einmal das keynesianische Makromodell anschaut, dann hängt der stimulierende Effekt einer fiskalischen Nachfragepolitik entscheidend von der marginalen Sparquote ab. Wenn diese Sparquote aber gegen eins geht (also jeder zusätzliche Euro Einkommen von den privaten Haushalten gespart und nicht verkonsumiert wird), dann verpuffen die zusätzlichen Staatsausgaben nahezu vollständig. Eine keynesianische Nachfragepolitik, wie von Schäuble gefordert wäre also nahezu wirkungslos.
Hintergrund: Der schöne stimulierende Effekt zusätzlicher Staatsausgaben stellt sich im keynesianischen Modell wie folgt dar: Durch die Staatsnachfrage (oder Steuersenkungen) steigt die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage, die Unternehmen produzieren mehr und die Beschäftigung steigt. Hierdurch steigen die Einkommen der privaten Haushalte und diese konsumieren mehr, hierdurch steigt wiederum die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und ... den Rest kennen wir ja schon. Aber eben nur dann, wenn ein Teil des zusätzlichen Einkommens auch wieder verkonsumiert wird. Ansonsten wäre der schöne Prozess schon nach einer Runde zu Ende. Und da braucht es dann nicht mal die Crowding-Out-Effekte staatlicher Nachfragepolitik durch steigende Zinsen.