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Wie unbeliebt ist das Parteiprogramm der Piraten?

"Die Partei ist beliebt, ihr Programm nicht" lautete die Überschrift im Handelsblatt zur aktuellen Stern-RTL-Wahlumfrage. Ausgangspunkt dieser Aussage war die Frage der Demoskopen von Forsa, warum die potentiellen Wähler denn die Piraten wählen würden. 39 Prozent gaben daraufhin an, ihnen fehle das Vertrauen in die etablierten Parteien, für 27 Prozent war "frischer Wind für die Politik", für 12 Prozent "offen, ehrlich und nicht korrupt" ausschlaggebend. Jedoch nur 11 Prozent gaben an, sie stimmten mit dem Programm der Piraten überein.

Die Interpretationen auf diese Antworthäufigkeiten lassen zunächst einmal jedoch mehr Fragen offen: Waren die Antwortvorgaben vorgegeben oder war es eine offene Frage? Konnten die Befragten mehrere Gründe nennen oder nur einen?

Die erste Frage scheint nicht ganz so entscheidend zu sein und man kann wohl von vorgegeben Antworten ausgehen. Jedoch ist auch dies nicht sicher, sondern nur eine Vermutung. Sollte es sich dennoch um eine offene Frage gehandelt haben, so wäre dies ein erster Hinweis, warum das Programm der Piraten bei den Wählern so "unbeliebt" ist, oder besser gesagt, warum für so wenige das Programm der Piraten spontan das Entscheidungskriterium der Wahl war. Wer würde schon spontan an das Parteiprogramm denken, wenn er gefragt wird, warum hast Du Partei XYZ gewählt?

Ähnlich wie bei der spontanen Antwort "Parteiprogramm" ist es ausschlaggebend für die Antworthäufigkeiten, ob die Befragten lediglich einen - den wichtigsten - Grund oder mehrere Gründe für ihre Wahlentscheidung angeben durften. Nimmt man an, dass lediglich eine Antwortmöglichkeit ausgewählt werden durfte, so sind die "lediglich 11 Prozent" der Befragten, die sich für das Parteiprogramm erwärmen konnten, gar nicht mehr so wenig.

Ich wage zu behaupten, dass das Bild bei anderen Parteien dann auch nicht anders aussehen würde. Die SPD wurde bspw. früher mal wegen der "sozialen Gerechtigkeit" gewählt, für die Grünen spricht der Atomausstieg und die Umweltpolitik und die FDP glaubt immer noch, dass sie hauptsächlich wegen Steuersenkungen gewählt wurde und nicht wegen irgendeinem liberalen Parteiprogramm. Bei den meisten Parteien würde einem wohl als erster und wichtigster Grund alles mögliche einfallen, als letztes wohl das Parteiprogramm (kennt das überhaupt jemand?). 

Dass die Annahme der 1 aus X Antwort nicht aus der Luft gegriffen ist, lässt sich zumindest erahnen, wenn man die Antworthäufigkeiten einmal zusammenzählt: Hier kommt man auf 89%. Bei Mehrfachantworten wären jedoch in der Summe eher über 100% zu erwarten. 

Wenn man nun also lediglich Einfachantworten annimmt, dann wäre somit die Schlussfolgerung, die Handelsblatt-Redakteur Andreas Niesmann gezogen hat, nicht durch die Zahlen gedeckt. Selbst wenn man Mehrfachantworten annimmt, so wäre diese Schlussfolgerung aus oben dargelegten Gründen nicht gerechtfertigt.

Egal wie die Antwortmöglichkeiten jedoch vorgegeben waren, der Umkehrschluss lässt sich in keinem Fall daraus ziehen. Denn was ähnlich wie das Handelsblatt auch Spiegel-Redakteurin Christina Hebel formuliert: "Dabei stimmen die wenigsten Sympathisanten mit dem Programm überein." lässt sich aus der Frage überhaupt nicht herauslesen. (Sie wollen allenfalls die Piraten nicht - hauptsächlich - wegen ihres Progromms wählen.) Es wurde ja gerade nicht gefragt: "Kennen Sie das Programm der Piraten und wenn ja finden Sie es gut?" Ansonsten könnte man - und da hat sich wohl die SPD zu Zeiten des großen Kartells von den Statistikverstehern des Handelsblatts und des Spiegels beraten lassen - auch ablesen, dass die SPD-Wähler für eine Mehrwertsteuererhöhung waren, da "nur 11%" die SPD wegen Steuersenkungen (oder keine Steuererhöhungen) wählen wollten.

Wie unbeliebt ist also das Parteiprogramm der Piraten? Man weiß es nicht. Auch die Glaskugelschauer von Spon und HB nicht.

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