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Windows 7 ohne Internet Explorer: Ein Fest für Empiriker [Update #3]

Microsoft will einem kartellrechtlichen Streit mit der EU-Kommission aus dem Weg gehen und Windows 7 in Europa ohne Internet Explorer anbieten. Das ist nicht neu. Allerdings bietet sich jetzt eine ungeahnte Chance Wettbewerbspolitik empirisch zu untermauern. Vorab: Es ist grundsätzlich ja recht schwer Marktanteile zu berechnen von Produkten, die nicht gekauft werden müssen, sondern nur zum kostenlosen Download angeboten werden. Aber auch bei "Kauf"-Produkten zu denen es "kostenlose" Alternativen gibt (Linux für Windows oder OpenOffice für MS Office), ist eine Bestimmung der Marktanteile recht schwierig bis unmöglich. Bei Internetbrowsern (und bei Betriebssystemen ansatzweise) gelingt dies z.B. über Log-Statistiken auf Web-Seiten recht gut.

Die geplante Trennung von Operating System und Internetbrowser hat nun aus empirischer Sicht schöne Schmankerl zu bieten: Gerade bei empirischen Untersuchung ist man auf eine gute Datenlage angewiesen. Diese schließt eine vernünftige Kontrollgruppe mit ein. An dieser mangelt es leider bei vielen wirtschaftspolitischen Maßnahmen: Man kann ja schlecht die Mehrwertsteuer nur in jedem zweiten Bundesland erhöhen, um die andere Hälfte als Referenzgruppe zu benutzen. Diese Kontrollgruppen benötigt man jedoch, um sicherzustellen, dass (in diesem Beispiel) eine Veränderung der Marktanteile auch tatsächlich durch die Entkoppelung von Betriebssystem und Browser beruht und nicht auch ohne Maßnahme geschehen wäre

Hier hat man nun aber gleich mehrere Referenzgruppen: Zum einen gibt es Nutzer der alten Windows-Versionen mit gebündeltem Internet-Explorer in Europa, zum anderen wird außerhalb der EU Windows 7 weiterhin mit dem Internet Explorer gebündelt, so dass auch diese als Referenzgruppe genutzt werden kann. Hier kann man auch noch mal nach neuer und älteren Windows-Versionen differenzieren.

Hier hat man also die einmalige Chance zu untersuchen, ob die Bündelung von Produkten zu Wettbewerbsnachteilen führt. Beide Seiten haben hier ja (durchaus auch plausibel klingende) Ansichten. Die Einschätzung, die nun getroffen werden könnte, könnte aber noch viel weitreichendere Konsequenzen für den Quasi-Monopolisten Microsoft haben: Eine Bündelung besteht z.B. auch mit dem Media-Player und der Firewall, die Bündelung eines Antivirenprogramms ist geplant. Anhand des "Browser-Expirements" könnte man nun nachweisen, ob diese Bündelung den Wettbewerb beeinträchtigt und die Entbündelung auch auf andere Produkte ausgeweitet werden sollte.

Noch schöner (und für den Verbraucher auch konfortabler) wäre es sicherlich gewesen, wenn Microsoft sein Windows nicht ganz ohne Internet-Browser ausliefern würde, sondern dem Verbraucher die Auswahl lässt, wie u.a. auch von Opera und der EU-Kommission gefordert. (Update: Anscheinend hat sich MS umentschieden und will jetzt eine Auswahl zulassen.)

Update: Win 7 kommt nun doch mit IE 8 und nach der Installation erscheint ein Auswahlbildschirm zum downloaden der Browser-Varianten. Nachteil an dieser Variante: Der Internet Explorer ist bereits installiert und eine "wahre" Auswahl ist so nicht mehr nötig. Das alles steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der EU Kommission.

Update, 18.03.2010: Bei Opera sind anscheinend die Downloadzahlen gestiegen und die Hälfte der Downloads kommen über Microsofts Auswahlbildschirm. Wie valide die Zahlen von Opera sind müsste allerdings noch überprüft werden.

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Maik Hetmank: