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Mindestlohn

Dank einer Laune von Mutti steht das Thema Mindestlohn ganz oben auf der innenpolitischen Agenda. Diesmal eben nur nicht von den üblichen Verdächtigen (Gewerkschaften, Linke, SPD) aufs Tableau gesetzt. Der Mindestlohn ruft bei mir allerdings immer noch zwiespältige Meinungen hervor. So schwarz weiß, wie dies immer dargestellt wird, ist es eben nicht. Gemäß dem Motto "grau, teurer Freund, ist alle Theorie" (Goethe) sollte auch der nicht-polemisierende und nicht-ideologiebeladene Ökonom mit der Standardantwort reagieren: "Es kommt drauf an."

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Jeder Student, der - weshalb auch immer - ein Semester VWL pauken musste, der bekommt das Mantra der schädlichen Mindest- und Höchstpreise eingetrichtert. Und in den allermeisten Fällen stimmt das auch. Aber eben nicht in allen. So weiß man auch, dass bei einem starren Angebot (oder Nachfrage) Preisänderungen und somit auch Mindest- oder Höchstpreise sich nicht negativ auf die Menge auswirken, es kommt "lediglich" zu einer Umverteilung zwischen Anbietern und Nachfragern.

Ein Bsp. hierfür ist der Wohnungsmarkt, das Angebot an Wohnungen ist (kurz- bis mittelfristig) relativ konstant und somit hat eine Deckelung der Mieten keine Auswirkungen auf das Wohnungsangebot. Allerdings könnten langfristig Investitionen in die Bausubstanz (Modernisierung/Neubau) ausbleiben, wenn der Eingriff in den marktwirtschaftlichen Mietzins zu groß ist.

Wer ein Beispiel hierfür sucht, der muss nur den Blick nach Osten unserer Republik und ein paar Jahre (>20) zurück werfen. Durch die staatlich reglementierten Mieten ist der private Wohnungsmarkt in der DDR quasi nicht existent gewesen, Besitzer von Häusern (ja sowas gab es auch im Kommunismus Sozialismus in der DDR), die nicht nur alleine dort drin wohnten, sondern Wohnungen auch zur Miete anboten, ließen diese Häuser herunterkommen, da durch den geringen Mietzins an Instandhaltung der Bausubstanz nicht zu denken war.

An den Höchstmietenbeispiel kann man schon leicht erkennen, dass es mit der Analyse von Eingriffen in den Preismechanismus nicht immer so einfach ist, wie es zunächst ausschaut. Hier müssen bspw. kurz- und langfristige Folgen unterschieden werden. Aber es muss durch Mietpreisbindungen nicht zwangsläufig zu einem Rückgang der Bausubstanz kommen, wie das deutsche Beispiel der verdeckten Mietpreisbindung über den Mietspiegel zeigt. Solange sich trotz Höchstmieten noch akzeptable Renditen erwirtschaften lassen, solange wird auch in den Erhalt und den Neubau von Wohnungen investiert (wenn auch vielleicht in einem etwas gedämpfteren Maße). Es kommt also nicht nur darauf an, ob in den Markt eingegriffen wird, sondern auch wie "stark".

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Neben der Frage, wie die Angebots- und Nachfragekurven "verlaufen", gibt es jedoch auch noch einen (neben vielen weiteren) weiteren Grund, wann staatliche Eingriffe in den Preismechanismus keine negativen Folgen für den Markt haben müssen. Dies ist dann der Fall, wenn eine Marktseite über Marktmacht verfügt. Monopole und enge Oligopole sind mit einer der Hauptgründe, warum der Staat in den Marktmechanismus eingreift - auch durch Preissetzung! Denken wir nur an die natürlichen Monopole im Strom-, Telekommunikations- oder Bahnsektor. Hier greift der Staat in die Preissetzung der Monopolisten durch Preisregulierung ein. Die Stromkonzerne und die Deutsche Telekom müssen sich ihre Durchleitungsgebühren, die Bahn ihre Trassenpreise von einer staatlichen Behörde genehmigen lassen (Kommunismus pur!). (Eingriffe in Monopolmärkte werden im übrigen auch von Ordoliberalen (syn. Freiberger Schule / Eucken / Ludwig Erhard) befürwortet.)

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Zurück zu den Mindestlöhnen und "es kommt drauf an". Wir haben also gesehen, dass es Gründe geben kann, weshalb der Staat in den Preismechanismus eingreifen kann/sollte. Wie allerdings an den oben skizzierten Beispielen deutlich wird, ist es dazu notwendig VOR der Maßnahme einen triftigen Grund für den Eingriff herauszustellen. So wird bspw. niemand auf die Idee kommen, dass die Fluglotsen einen Mindestlohn bräuchten (womit nichts darüber ausgesagt ist, ob der Lohn für Fluglotsen "angemessen" ist, falls ein Fluglotse hier mitlesen sollte). Hier wird man btw. eher vom gegenteiligen Argument ausgehen können, dass die Fluglotsen bzw. ihre Gewerkschaft aufgrund ihrer Marktmacht "zu hohe" Löhne einfordern können.

Und damit sind wir auch schon bei einem entscheidenden Argument, wann Mindestlöhne gerechtfertigt sein könnten. Wenn die Arbeitgeber eine zu starke Marktmacht besitzen, dann könnte es sein, dass sie dies auf Kosten der Arbeitnehmer ausnutzen und zu geringe Löhne zahlen. In diesem Fall kann es sein, dass es durch einen Mindestlohn zu keinen negativen Beschäftigungseffekten kommt (vgl. hierzu auch). Es wird nur etwas "Monopolrendite" abgeschöpft.

Man muss aber weiter darauf achten, dass die Arbeitsplätze möglichst immobil sind. Je mobiler ein Arbeitsplatz ist, sprich je leichter er ins Ausland verlagert werden kann, desto eher wird sich ein auch noch so moderater Mindestlohn negativ auf die Beschäftigung auswirken. Aber gerade in einem Großteil des Mindestlohnsektors ist diese Abwanderung nicht zu befürchten. Ein Burgerbrutzler bei McDoof oder WürgerPrinz kann die pappigen Bulettenbrötchen gerade nicht in Polen zusammenbauen - zumindest nicht dann, wenn diese frisch und heiß in Castrop-Rauxel verkauft werden sollen.

Gegen den Mindestlohn wird jedoch häufig auch eingewandt, dass die Niedriglöhne ein regelrechtes Jobwunder bewirkt hat. Dies mag man gar nicht abstreiten, aber hier muss man auch untersuchen, wo genau diese Jobs entstanden sind. Sind diese Jobs z.B. bei den Burgerbrutzlern entstanden? Oder haben diese die Aufstockmöglichkeit nur genutzt, um aus geringen Löhnen niedrige zu machen? Wie dies etwa die Drogeriemarktkette Schlecker mit ihrer Umbenennung in Schlecker-XXL getan hat.

Wir haben im Niedriglohnbereich einen hochsubventionierten Arbeitsmarkt geschaffen. Wenn ein Mindestlohn also ohne negative Beschäftigungseffekte auskommen würde, so hätte er auch den positiven Nebeneffekt, dass Subventionen in Milliardenhöhe abgebaut werden könnten. Wir subventionieren die Arbeitskräfte bei McDonalds, dass dieser Burger für einen Euro anbieten kann. Um eins klar zu stellen: Natürlich ist es immer noch besser Arbeit zu haben. Aber es sollte eben genau untersucht werden, in welchen Branchen diese Arbeit auch zu "marktgerechten" (also nicht subventionierten) Löhnen erbracht werden kann.

Auch Lohnsubventionen für Aufstocker sind ein Eingriff in den freien Markt, das vergessen viele "Liberale" gerne. Niedrigstlöhne sind nur deshalb realisierbar, da es staatliche Aufstockungsprämien gibt. Würden diese wegfallen, würde sich niemand für diesen Lohn hinter den heißen Burgergrill stellen. Denn dann wäre Hartz IV die bessere Alternative. Und dann müssten McDonalds, Schlecker & Co. auch höhere Löhne zahlen, da sie ansonsten gar kein Geschäft mehr machen könnten.

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Ich weiß immer noch nicht, ob ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn der Weisheit letzter Schluss wäre. Ich glaube aber, dass der ideologische Frontenkrieg auch nicht zur Lösung beiträgt. Wirklich ideologiefrei wäre es nämlich, den Arbeitsmarkt zu sezieren und zu analysieren, Bereiche zu entdecken, in denen ein Mindestlohn unnötig ist, in denen er eher schädliche Wirkungen haben kann/wird und in denen er aufgrund von Marktfriktionen zumindest keine negativen Auswirkungen (und gesamtgesellschaftlich über den Abbau der Subventionen und evtl. höheren Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen sogar positive Effekte) haben kann.

PS: "Übrigens: Wir haben in Deutschland einen Mindestlohn – der nennt sich Hartz IV. (... Dieser) entspricht einem Stundenlohn von rund 7,50 Euro." Sagt der politische Globetrotter Oswald Metzger. Weshalb er nur einen Absatz höher dann jedoch die Schlussfolgerung zieht, dass ein Mindestlohn von 7,50 Euro etwa 1 Million Arbeitsplätze kosten soll erschließt sich mir allerdings überhaupt nicht. Ihm wahrscheinlich auch nicht, denn er sagt von sich selbst - ebenfalls nur einen weiteren Absatz höher -, dass er ein Heuchler ist... 

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Maik Hetmank: