Die Uni Leipzig hat das generische Femininum eingeführt und halb Deutschland, v.a. aber die geneigte Presse scheint Schnappatmung zu bekommen. Von nun an hieße es nicht mehr Herr Professor, sondern Herr Professorin! Das ist natürlich Quatsch. Der Herr Professor bleibt Herr Professor genauso wie die Frau Professorin auch mit generischem Maskulinum Frau Professorin geblieben wäre.
Das generische Maskulinum / Femininum ist nichts weiter - wie man auch leicht in der Wikipedia hätte nachschlagen können - wie eine "vereinfachte" generell männliche / weibliche Schreibweise, die "sich auf Personen mit unbekanntem Geschlecht bezieht, bei dem das Geschlecht der Personen nicht relevant ist oder mit dem männliche wie weibliche Personen gemeint sein sollen." Anstatt "sperrige" Konstrukte wie Bürgerinnen und Bürger, BürgerInnen, Bürger/innen oder Bürger*innen (etc.) wird eben nur "Bürger" oder "Bürgerinnen" verwendet und jedes mal sind sowohl die weiblichen als auch die männlichen Pendants gemeint.
Nur weil der allgemeine (schriftliche) Sprachgebrauch "Professorin und Professor" oder "Professor/in" ist, ist ja bisher auch niemand auf die dümmliche Idee gekommen "Herr Professorin und Professor" bzw. "Herr Professor/in" zu sagen, wenn er oder sie einen männlichen Professor ansprechen wollte. Hoffe ich zumindest. Bei einigen Journalistinnen und Journalisten bin ich mir da nicht so sicher.
Weshalb mich die Sache jedoch so aufregt und mich zu diesem Kommentar hinreißen lässt ist aber die dümmlich dreiste Verkehrung und Effekthascherei der deutschen Medien und ihrer Schreiberlinge (m/w). Da gibt es die üblichen verdächtigen, wie Blöd, Rheinische Post oder Focus aber auch die Berliner Zeitung, die es überhaupt nicht gerafft haben. Und es gibt die Volltrunkenen, die es schaffen in der Überschrift oder der Headline das "Herr Professorin" anzubringen, um sich dann im Text selbst zu widersprechen und - wie auch die Uni Leipzig noch einmal explizit für die ganz doofen Journalistinnen (m/w) - klarzustellen, dass dies nur in der Grundordnung (ein Stück Papier) gilt und auf den allgemeinen Sprachgebrauch keinen Einfluss hat. Niemand also "Herr Professorin" sagen wird, sondern weiterhin "Herr Professor". Beispiele gefällig? Bitteschön: Der Tagesspiegel, Spiegel Online, Süddeutsche oder N24. Bis auf die etwas zweideutige Überschrift immerhin ansonsten klar und korrekt die FAZ - es geht also auch anders.
Und dann gibt es noch die ganz Bekloppten, die sich nicht zu dümmlich sind aus einem Interview mit der Leipziger Rektorin zu zitieren ("Wir waren nüchtern") und in ihrem Alkohol- oder Drogenrausch nicht einmal merken, was für einen Dünnschiss sie da fabrizieren. Das dies die angeblich seriöse Süddeutsche Zeitung trifft zeigt den Verfall der deutschen Presselandschaft.
Im Vollrausch geistern dann auch noch ganz krude Verschwörungstheorien rum. Caroline Fetscher vom Tagesspiegel phantasiert herrlich dämlich, dass eben in jenen Wörtern "veraltete Konzepte" konserviert werden und "implizite Aussagen" stecken. Nun bin ich kein Sprachwissenschaftler, ein nur beiläufiges verfolgen des Sprachlogs zeigt mir aber, dass die Wortherkunft häufig nicht so eindeutig ist, wie sie einem erscheint. Ein kurzes googlen offenbart dann auch, dass bei "herrlich" die Herkunft (da haben wir es schon wieder) unterschiedlich ist und erst im späteren Verlauf eine empfundene Verwandtschaft zu Herr hergestellt wurde und "dämlich" überhaupt nichts mit der Dame (außer bei Frau Fetscher) zu tun hat.
Fazit: Viel Wind um nichts. Bitte weiterlaufen hier gibt es nichts zu sehen. Anstatt jedoch um den Kern der Leipziger Entscheidung sachlich zu berichten, wird mit dümm-, dämlichen und falschen Headlines die Leserschaft in die Irre und auf die Barrikaden geführt.
Fazit 2: So lange über solche Lapalien so aufgeregt (nicht angeregt!) diskutiert wird, gibt es wohl doch etwas zu sehen. Erst wenn der Vorgang der Uni Leipzig etwas völlig normales (nicht unbedingt standardisiertes) wäre, dann wäre die Ungleichbehandlung (in beide Richtungen) auch aus den Köpfen raus. Dies muss das Ziel sein, wird aber leider durch Sprach- oder Quotenregelungen (zumindest meiner Meinung nach) nicht erreicht. Aber das ist ein weiteres Thema. Was sich übrigens bei manchen Männern, explizit Leipziger Juristen, im Kopf abspielt kann man im schon erwähnten Sprachlog verfolgen.
PS: Im angloamerikanischem Raum wird der Problematik übrigens - wie ich finde - recht pragmatisch begegnet: In Texten, in denen beide Geschlechter gemeint sind wird einfach abwechselnd von "he" und "she" gesprochen.
Update, 10.06.2013: BildBlog hat auch das ganze Dilemma zusammengefasst. Mit weiteren Belegen und Screenshots fürs Archiv.
Update, 10.06.2013: Jan Friedmann befragt für Spiegel Online Anatol Stefanowitsch (Linguistik-Prof. und Autor beim schon erwähnten Sprachlog). Auch Friedmann kommt nicht um die dummdämliche Frage nach dem Herr Professorin drumrum.
Update, 14.06.2013: BildBlog führt weitere Belege der journalistischen Dümmlichkeit an. Der Spiegel versucht sich zu rechtfertigen.