Eigentlich schreiben wir hier ja hauptsächlich bzw. fast nur über Spiele, bei denen wir auch im Stadion live vor Ort dabei waren. Die aktuellen Ereignisse haben mich jedoch nun motiviert auch mal abseits davon einen Kommentar lozulassen. Als bekennender St.Pauli-Fan bin ich wahrscheinlich nicht völlig objektiv, aber gerne offen für Diskussionen.
Wahrscheinlich haben auch die weniger Fußball-begeisterten unter unseren LeserInnen mitbekommen, dass es am Freitag (06.03.09) vor, während und nach dem Spiel Pauli gegen Rostock zu unglaublichen Szenen und Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Vereine gekommen ist und dass diese nicht gerade eine Überraschung darstellten. Die Rivalität zwischen Pauli und Rostock ist nicht nur die zweier Nordvereine, sondern immer wieder auch politisch geprägt: die linken Paulianer gegen die rechten Hansas. In der Vergangenheit kam es immer wieder bei den Begegnungen zu Auseinandersetzungen. Nachdem sich St.Pauli dann ja in die unteren Ligen des deutschen Fußballs verabschiedet hatte und Rostock zwischendurch auch mal erstklassig war, kam es daher erst in dieser Saison zu einem erneuten Aufeinandertreffen der beiden Vereine. Vor dem Hinspiel in Rostock gab es dabei unzählige Appelle von beiden Seiten an die jeweiligen Fans, von einem Neuanfang war die Rede und dass von nun an der sportliche Aspekt im Mittelpunkt stehen sollte. Was dann in Rostock passiert ist, strafte die ganzen schönen Worte Hohn. Ich möchte im folgenden daher aus einem offenen Brief des Pauli-Präsidenten Corni Littmann und von Sven Brux zitieren, der auch auf der Homepage eingesehen werden kann und der einen Einblick in die Ereignisse aus Paulianer-Sicht vermittelt:
Als der Tross der Zugfahrer am Stadion (Eingang Eishalle) eintraf, warteten dort schon, nur durch einen Zaun getrennt, einige hundert Rostocker Fans, die sofort „Anti-St. Pauli-Lieder“ skandierten. Es kam zu schweren Auseinandersetzungen, wobei ca. 10 min. lang Flaschen etc. geworfen wurden. Während dieser Zeit stand die Polizei lediglich auf der Seite des Zaunes, auf der die St. Pauli-Fans gingen. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung wurden mehrere St. Pauli Fans durch Wurfgeschosse und Tränengas verletzt.
Auf der Fahrt in das Stadion wurde der Mannschaftsbus des FC St. Pauli mehrfach beworfen, meistens mit Bierbechern.
Im Stadion mussten etliche St. Pauli-Fans erkennen, dass im für Gäste vorgesehenen Sitzplatzbereich offensichtlich auch zahlreiche Rostocker Anhänger saßen, darunter auch nicht wenige, die man schon vom äußeren Anschein her der „erlebnisorientierten“ Fraktion zurechnen musste. Im Verlauf des Spiels baten viele unserer Fans darum, in den Stehplatzbereich Gäste gebracht zu werden, da sie mit Bier beworfen wurden und schlicht Angst hatten. Ebenfalls wurde in diesem Bereich das sog. „U-Bahn-Lied“ gesungen. Von Fantrennung war hier nichts zu merken.
Die aufgeheizte Stimmung setzte sich während des Spiels fort. Besonders hervorzuheben sind die fortwährenden und von der Ultragruppe im Block 27 inszenierten Wechselgesänge, die neben der „Botschaft“ „Scheiß St. Pauli“ auch die wenig schmeichelhaften Formulierungen „Wir haben einen Hassgegner – das sind die schwulen Hamburger“ beinhalteten. Dass gerade diese Gesänge nicht nur von einer kleinen Minderheit dargeboten, sondern von zigtausend Menschen im gesamten Stadion mit gegrölt wurden, ist durch mitgeschnittene Tondokumente belegt.
Nach der Einwechslung unseres Spielers Morike Sako wurde dieser mehrfach rassistisch beleidigt. Unser Spieler Fabian Boll wurde von einem geworfenen Feuerzeug getroffen.
Aus dem Nachbarblock der Südtribüne wurden unsere Fans während des gesamten Spiels von einer bestimmten Gruppe fortwährend und ausdauernd beleidigt und provoziert, u.a. auch hier durch das Zeigen des verbotenen „Hitlergrußes“. Der Ordnungsdienst schritt jedoch nicht ein. Vielmehr konnte mehrfach beobachtet werden, dass sich Mitarbeiter des Ordnungsdienstes und Mitglieder der genannten Gruppe offensichtlich persönlich nahe standen.
Nach dem Spiel verharrten die meisten unserer Fans im Gästeblock, da dies auch so angekündigt wurde. Kurz darauf verließen die Ordnungskräfte, die zuvor eine Pufferzone zum angrenzenden Block der Südtribüne frei hielten ihre Position und sogar den Block. Daraufhin stürmten etliche Rostocker Fans in Richtung Plexiglaszaun und machten Anstalten, diesen zu überklettern. Auch hier kam es mindestens 10 min. lang zu Auseinandersetzungen, ohne dass Polizei oder Ordnungsdienst eingriffen. Erst danach stellte die Polizei die ursprüngliche Pufferzone wieder her.
Erschreckend, dass offenbar nicht mal mehr die Ordner ihrem Job nachkamen und die Gästefans vor gewissen Subjekten beschützten, wie es ja eigentlich ihre Aufgabe gewesen wäre. Genauso schlimm finde ich, dass sich offenbar auch wieder eine bestimmte Gruppierung im Rostocker Stadion breit machen konnte und das Spiel gezielt als ihre Bühne nutzte. Ich glaube nämlich nicht, dass alle Hansa-Fans Nazis sind. Sicher gibt es dieses Problem im Ostdeutschen Fußball und ebenso sicher haben einige Vereine ziemlich lange gebraucht, um dagegen aktiv zu werden. Aber ich weigere mich zu glauben, dass alle Hansas so drauf sind, sonst hätte es wohl auch schon entsprechende Bilder und Vorkommnisse bei anderen Rostock-Spielen gegeben. Aber scheinbar ist ein Spiel gegen St.Pauli ein Aufruf an diese Idioten sich im Stadion einzufinden und ihre Art von "Fußball" zu zelebrieren.
Nun, worauf will ich hinaus? Erstaunlicherweise sorgten die Ereignisse in Rostock für keine großen Folgen. In den Medien fand sich bald nichts mehr über die Vorkommnisse und es gab auch keine Strafe für Hansa, was ich ehrlich gesagt bis heute nicht verstehen kann. Darüber hinaus hätte ich damals schon ne Menge Geld darauf gewettet, dass es quasi als Antwort darauf, beim Rückspiel in Hamburg zu einem entsprechenden "Tanz" kommen würde. Wie sich gezeigt hat, habe ich (leider) Recht behalten.
Hätte man das Ganze verhindern können? Nun vielleicht schon. Zumindest hätte es klare Anweisungen geben sollen, keine Rostocker ohne Karten für das Spiel nach Hamburg bzw. diese nur mit der Bahn anreisen zu lassen. Darüber hinaus ist der Freitag sicher der absolut falsche Tag ein solches Spiel in direkter Nähe zur Reeperbahn stattfinden zu lassen. Und, und, und ... Eigentlich bin ich kein Fan von solchen Pauschalverurteilungen, aber scheinbar geht es bei dieser Begegnung nicht anders und das meine ich mit Blick auf beide Seiten.
Hier finden sich zwei Gruppierungen, die den Anlass eines Fußballspiels nutzen, um ihrer Definition von "Spaß" nachzugehen und das zu Lasten der "richtigen" Fans und der Leute, die zwischen beiden Gruppen stehen und Unbeteiligte beschützen sollen. Diese Chaoten, ob Hansas-Nazi-Hooligans oder Paulis-Autonome-Prügelknaben sind keine Fußball-Fans! Die verheimlichen das auch nicht mal, wie ein Transparent der Hansa-Hools am Freitag zeigte. Diese Leute gehören nicht ins Stadion!
Denn mal ganz ehrlich: Wer bei einer 2:0 Halbzeitführung einen Spielabbruch provoziert und mit einem Transparent skandiert: "Wir scheißen auf Erfolge, wir wollen nur Randale", wer den eigenen Block in Brand setzt und damit sogar die eigenen Leute einer Gefahr aussetzt, da ist unverkennbar, wes Geistes Kind diese Idioten sind. Und: "Das hat mit Fußball nichts zu tun!"
Die Frage wird sein, wie man sowas in Zukunft verhindern kann. Schade wäre, wenn bestimmte Spiele in Zukunft ganz ohne Zuschauer stattfinden müssten. Aber vielleicht werden ein paar Leute dann endlich vernünftig. Leider zu Lasten für uns wirkliche Fans.