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Die Zeit, der Tauss und der Qualitätsjournalismus

Stellen wir uns vor, ein BILD-Redakteur, bei dem kurz zuvor frei erfundene Storys aufgedeckt wurden, möchte zur ZEIT wechseln. Würde die ZEIT ihn als "hervorragenden Journalisten" umgehend "herzlich willkommen" heißen? Und darauf hinweisen, dass die Zeitung "keinen Anlass habe, an seiner Unschuld und journalistischen Integrität zu zweifeln, solange keine Verurteilung erfolgt"?

Anscheinend werden solche Leute bei der ZEIT mit offenen Armen empfangen. Einer von denen heißt Christian Denso. Seine recherche- und inhaltsfreie Story "Tauss - Ein neuer Pirat" ist grad in jener ZEIT erschienen, die für ihren Qualitätsjournalismus wirbt. Über den Artikel im ganzen will ich mich hier gar nicht auslassen, dass wurde u.a. schon hier und hier und hier gemacht und es werden sicher noch einige folgen. Ich hab mir "nur" mal diese Passage rausgegriffen:

Schließlich finden sich unter seinen Netz-Sympathisanten auch noch jene, die das Sammeln von Kinderpornografie für eine "Lappalie" halten – oder gleich für eine "sozial kompatible Art", um "seine Triebe zu kanalisieren". Jede Gemeinde sucht sich den Helden, den sie verdient.

Nun ich dachte immer ich bin auch ein (sehr kleiner) Teil der Gemeinde. Man liest mal hier, mal da und mal erwischt man andere beim Lesen... Aber von "Lapalien" und "sozial kompatiblen Arten seine Triebe zu kanalisieren" habe ich unter den "Netz-Sympathisanten" bisher noch nicht gelesen. Na gut, musst Du wohl übersehen haben, aber das wär schon mehr als Scheiße, wenn sowas wirklich unkritisiert und unkommentiert gesagt wird. Nun irgendwo muss der Herr Denso das ja her haben, anscheinend aus dem Netz. Da lassen wir doch mal Google drauf los (wir Netz-Sympathisanten machen sowas schon mal gerne):

Hähh? Außer dem ZEIT-Artikel (und der Suppe, die auch nur auf das Zitat von Denso verweist) selber kein einziger Treffer? Wo hat der bitte dann die Aussagen her, die er in Anführungszeichen setzt? Wo treibt der sich rum? Will ich eigentlich gar nicht wissen. Und schon gleich gar nicht recherchieren. In solch Gefilden macht man sich wahrscheinlich strafbar. Widerlich solche "Journalisten", da reicht eine Kotztüte gar nicht aus. Oder ist das vielleicht ihr eigenes Zitat, Herr Denso? Und wenn Sie es woanders her haben, warum zitieren Sie dann nicht korrekt und geben die Quellen Preis. Im Internet verlinkt man einfach dahin... (Deswegen findet man das auch über Google & Co. und das Internet vergisst nichts...)

PS: Ich habe natürlich auch die "Einbeziehung der übersprungenen Ergebnisse" und "sozial kompatibel Art" geprüft. Bei letzterem kein Treffer und bei ersterem auch nur Verweise auf den Tauss-Artikel von dnews und Moritz Homann.

PPS: Wenn man übrigens ca 5 Stunden nach Online-Stellung des ZEIT-Artikels nochmal "googelt", dann hat sich die Trefferzahl schon verneunfacht. So macht ein Zitat natürlich doch noch die unrühmliche Runde.

PPPS: Da nimmt man der ZEIT die Entschuldigung mit dem "bedauerlichen Missverständnis" beim Heine vs. Zensursula Streitgespräch über das "Verbot von Kinderpornografie" aber nicht mehr wirklich ab. Das scheint Methode zu sein. Und wieder ein "Qualitätsmedium" weniger. Kann das so oft prognostizierte Zeitungssterben denn nicht endlich mal beginnen, kann doch anscheinend nur besser werden...

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