Nicht nur die ADAC-Mitglieder und BILD-Leser, auch alle anderen Deutschen haben es gewusst, was nun eine Behörde aus dem beschaulichen Bonn nachgewiesen haben will: In Deutschland dominiert ein Oligopol den Tankstellenmarkt, die Marktmacht führt zu überhöhten Preisen. Die fünf größten Mineralölkonzerne Deutschlands haben einen Marktanteil von rund 70%, die beiden Marktführer Aral und Shell dominieren dabei mit knapp 50% Marktanteil den Markt.
Ob Oligopolisten immer höhere Preise als unter Wettbewerbsbedingungen verlangen, ist dabei gar nicht so einfach festzustellen, noch schwieriger wird es nachzuweisen, dass die höheren Preise aus einem wettbewerbswidrigem Verhalten herrühren. Allein die Anzahl der Unternehmen und deren Marktanteile sind kein ausreichendes Indiz, um einen Defizit des Marktes zu bejahen.
Man denke hier beispielsweise an die Lebensmittel-Supermärkte, insb. die Discounter. Hier teilen sich - ähnlich wie im Mineralölmarkt - vier bis fünf Player den Markt zum Großteil untereinander auf. Von überhöhten Preisen wird hier jedoch wohl niemand sprechen, es ist eher die Sorge, dass die Preise zu niedrig sind. Außerdem scheint sich hier die Marktmacht eher problematisch auf die "Zulieferer" auszuwirken. Aber das ist eine andere Baustelle.
Genauso schwierig wie die Identifizierung eines wettbewerbsschädlichen Oligopols ist, gehen auch die Meinungen hierüber beim Tankstellenmarkt auseinander (konträr zum Bundeskartellamt bspw. "Autopapst" Dudenhöffer, an der falschen Stelle des Marktes gesucht hat das Kartellamt u.a. lt. FTD). Problematisch an den Erkenntnissen des Bundeskartellamts finde ich jedoch nicht die Feststellung, dass es sich um ein marktbeherrschendes und wettbewerbsschädliches Oligopol im Mineralölmarkt handelt, sondern die Schlussfolgerungen i.V.m. der eigenen Politik des Bundeskartellamts.
So droht das Kartellamt jetzt mit einer stärkeren Fusionskontrolle und eines Verbots des Zukaufs freier Tankstellen. Dabei ist das Kartellamt an der jetzigen Situation nicht ganz unschuldig - wenn nicht sogar mitschuldig. Gerade bei den beiden Marktführern Aral (BP) und Shell hat das Kartellamt durch Fusionserlaubnisse (unter milden Auflagen) erst ermöglicht, dass diese fast die Hälfte des Marktes unter sich aufteilen können.
Kurz nach der Jahrtausendwende erlaubte das Kartellamt die Übernahme von Aral durch BP sowie von DEA durch Shell. Die Auflage sich von einigen Tankstellen zu trennen ist dabei nicht sonderlich restriktiv gewesen. Von vielen Tankstellen hätte sich Aral/BP und Shell auch so getrennt, falls es durch die Übernahme zu mehreren Tankstellen der gleichen Marke an einem Platz/Ort gekommen wäre.
Die Forderung nach einem Entflechtungsgesetz wäre wahrscheinlich unnötig gewesen, hätte das Kartellamt vor etwa 10 Jahren die Übernahmen von Aral und DEA verhindert. Es macht einen Unterschied, ob sich zwei Unternehmen etwa 50% des Marktes untereinander aufteilen oder sich 7 Firmen 70% Marktanteil teilen müssen. Effizienter als eine nachträgliche Entflechtung wäre eine konsequentere, strengere und funktionierende Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt im Vorhinein.
PS: Etwas ähnliches wie im Mineralölmarkt hat sich übrigens erst kürzlich bei den Lebensmittel-Supermärkten ereignet. Hier hat das Kartellamt die Übernahme von Plus durch Netto (Edeka) genehmigt. Vor allem in Bezug auf die oben schon angesprochene Marktmacht gegenüber den Lieferanten kann sich dies noch als problematisch herausstellen. Wir dürfen gespannt sein, wann das Bundeskartellamt hier auch das eigene Versagen in einer Studie feststellt. [Update, 31.07.2011: Auch die Übernahme von trinkgut durch Edeka wurde "unter strengen Auflagen" genehmigt, obwohl "sich inzwischen vier große Konzerne ca. 85% des Marktes" teilen. (via)]