Um es gleich vorweg zu nehmen, das Buch von Wagner und Zander enttäuscht auf ganzer Linie. Es wird keiner seiner selbstgesteckten Ziele gerecht. Weder kann es aufklären, was die SPD mit Rassismus zu tun hat, noch kann es die politischen Schnittmengen der "bürgerlichen Mitte" und der "Neuen Rechten" aufzeigen. Und auch die neu entdeckte zusätzliche Perspektive, woher der rassistische Hass der NSU kommt, werden die Autoren nicht erhellen können.
Das Problem der Autoren, warum sie auf breiter Front in der Sarrazin-Debatte versagen, ist, dass sie sich auf das sarrazineske Niveau herabbegeben und ihn (und alle anderen rechts der Linken) mit den gleichen Stilmitteln bekämpfen wollen. Sie werfen (zu Recht) Sarrazin Populismus, Demagogie und Faktenarmut vor. Nur sind sie genauso populistisch und faktenarm. Der Leser wartet eigentlich die ganze Zeit darauf, dass die Autoren endlich Butter bei die Fische geben und Sarrazins Thesen widerlegen. Stattdessen muss man sich durch einen Zitatekanon kämpfen, ohne dass sich inhaltlich mit diesen Zitaten auseinandergesetzt wird.
Auch strukturell können die Autoren in keinster Weise überzeugen. Sie schaffen es nicht die verschiedenen Sphären des sarrazinschen Thesengebildes zu trennen. So mag es zwar sicherlich bei Sarrazin eine Verbindung zwischen einem sog. "Neoliberalismus" und seinen Sozialdarwinismus bis hin zum Rassismus geben. In der Argumentation und v.a. beim Versuch des Aufzeigens von Parallelen der SPD mit dem rassistischen Gedankenguts Sarrazins gehören diese Ebenen getrennt. In der Gedankenwelt der Autoren gehören jedoch scheinbar alle Mitglieder der sog. "bürgerlichen Mitte", alle Anhänger eines vielbeschimpften "Neoliberalismus" der "Neuen Rechten" an. Diese Schnittmengen mag es vereinzelt geben, sie sind jedoch keineswegs durchgehend zu beobachten.
Rechtes Gedankengut gibt es leider bspw. auch in vermeintlich linksgerichteten Gruppen, wie eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung jüngst zeigen konnte (pdf, S. 44 f.). Auffallend an extrem rechten Gruppierungen, gerade auch in der NPD, ist, dass sie häufig gerade keine Anhänger des Sozialdarwinismus sind, sondern versuchen eine soziale Rolle einzunehmen und in perfider Weise sozial Schwachen eine Anlaufstation bieten. Andererseits gibt es auch unter "Neoliberalen" viele, denen Rassismus in keinster Weise nahe liegt und die auch keine Anhänger des Sozialdarwinismus sind. Auch wenn sie in vielfältiger Art und Weise Staatseingriffen in den "Markt" ablehnend gegenüberstehen (und hierüber lässt sich natürlich wunderbar streiten), sehen sie die Einkommensverteilung und den sozialen Status keineswegs als gegeben an.
Gelingen kann diese Verquickung der verschiedenen Sphären nur dadurch, weil die Autoren es nicht schaffen, die von ihnen verwendeten Schubladen Eingruppierungen zu definieren.
Bei all diesen Schwächen braucht man schon gar nicht die Unsitte erwähnen (in einem pseudowissenschaftlichen Werk) mit Endnoten (statt Fußnoten) zu arbeiten. Mag das für reine Literaturbelege in einer populärwissenschaftlichen Abhandlung noch hinnehmbar sein, so ist dies für Anmerkungen eine Zumutung.
Schade, der Fall Sarrazin hat viel Potential für eine detaillierte Auseinandersetzung und Entlarvung. Leider lassen die Autoren jedes auch noch so große von Sarrazin gesäte Korn ungenutzt liegen. In dieser Form ist die Abhandlung leider nur eine Bestätigung entsprechender festverankerter "linker Ideologie" und ein gefundenes Fressen für die Anhänger Sarrazins und der "Neuen Rechten", um ihrerseits die Vorurteile der "linken Propaganda" bestätigt zu sehen.