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Silent Poem - Laute(r) Sachsen

Das Thema Vorbands ist ja so eine Sache und sicher können ausführliche Diskussionen über ihren Sinn und Nutzen geführt werden. Die Funktion, das Publikum in Stimmung zu bringen, finde ich persönlich dabei überbewertet. Ich habe schon super Konzerte gesehen, zum Beispiel von Mesh oder Wolfsheim, die auf Vorbands verzichtet haben und trotzdem kein Publikum hatten, das sich erst warmhören musste. Ich bin eher Anhängerin des Arguments, das sich hiermit unbekannten Nachwuchskünstlern die Chance bietet, einem größeren Publikum bekannt zu werden... und vor diesem Hintergrund möchte ich Vorbands auch nicht missen. Sicher habe ich auch schon vieles gehört und gesehen, bei dem einem selbiges vergangen ist, aber dazu den Saal zu verlassen und erst zum Hauptact wiederzukommen, haben mich bisher nur zwei Bands veranlasst (einmal Weissglut und den Namen der anderen habe ich zum Glück vergessen).

Am letzten Dienstag war es bei der Letzten Instanz mal wieder soweit. Aufgrund der guten Position in erster Reihe direkt vor der Bühne, bestand die Möglichkeit schon vor Beginn einen Blick auf den Namen und die Setlist zu erhaschen. Aha, also wirklich eine Vorband (weder Tourplakate noch die Instanz-Homepage hatten hierüber vorher etwas verraten) ... "Silent Poem" ... hmm, jaja, interessanter Name. Und dann ... auweija ... ein Blick auf die Setlist mit den Songtiteln. Name wie "Krötenwanderweg", "Kirschsaft" und "Amoktango" ließen mich schlimmstes befürchten. Ich verstehe sowas nicht. Das klang nach Tocotronic oder Blumfeld. Fans dieser Musikrichtung mögen mir verzeihen, ich kann damit nix anfangen. Naja, ich war also auf das Schlimmste gefasst.

Meine Erwartungen wurden jedoch ins genaue Gegenteil verkehrt. Silent Poem sehen (auch wenn sie das sicher nicht hören möchten) zwar aus wie die Schülerband des örtlichen Gymnasiums, bestechen aber durch ihre musikalische Qualität, ihre guten deutschen Texte und ragen durch ihre instrumentalische Besetzung durchaus aus dem Einheitsbrei, der einem im Gefolge von DSDS und ähnlichem präsentiert wird, heraus. Zwei Streichinstrumente, eine Geige und ein Kontrabass, E-Gitarre und Schlagzeug sind für mich nicht gerade die klassische Bandbesetzung. Eine Frau am Schlagzeug... leider immer noch zu selten, daher positiv auffallend. Und ein Sänger, der gleichzeitig auch noch den Kontrabass spielt, eine wirklich geile Stimme hat und durch sein Auftreten einen netten 20er-Jahre-Charme verbreitet hat. (Mag vielleicht nur an den Hosenträgern gelegen haben und daran, dass er das Publikum eines Rockkonzerts konsequent siezte... ich fand es hatte etwas sympatisch Antiquiertes...) Jedenfalls haben die drei Herren mit Dame ordentlich gerockt und uns so begeistert, dass wir ihnen ihre beiden CDs abkauften. Kann sich auch auf Platte hören lassen, muss man ehrlich sagen. Wobei man dem älteren Album anhört, das es der Erstling ist, das zweite gefällt mir sehr gut und ist absolut zu empfehlen. Mein Anspieltipp ist "Hävelmann" die musikalische Umsetzung der Geschichte des kleinen Hävelmann... es erinnert mich auch daran, dass ich diese Erzählung als Kind mal bebildert besessen haben muss.

Lustig waren die Ansagen während des Live-Auftritts, die irgendwann in Selbstzweifel des Sängers mündeten: "Ich dachte, ich spreche Hochdeutsch?" Nun, einen Sachsen, der nicht ein bisschen sächselt, habe ich noch nie getroffen und so schlimm war es nun auch nicht. Außerdem würde ich mir im Ruhrpott keine Sorgen ums Hochdeutsch machen. ("Watt hatter jesacht?") Ein wenig unangenehmer fiel da schon die ständige Werbung für den Merchandisingstand auf... ich verstehe ja, dass man Werbung für sich macht, gerade als Vorband, aber weniger ist manchmal einfach mehr und Interessierte gucken eh mal vorbei. (Vielleicht als kleiner Tipp, mich hätte es fast vom Kauf - aus Protest - abgehalten. Wäre schade drum gewesen.)

Fazit: eine sehr gute Band, sowohl live wie auf Platte. Jedem ob als Vorband oder eigenständiges Konzert nur zu empfehlen. Und vielleicht sollten wir mal aufhören, rumzujammern, dass es kaum noch gute Nachwuchsbands in Deutschland gibt, die auch mit deutschsprachigen Texten arbeiten... hier habe ich eine gesehen.

Wer selber mehr erfahren möchte, hier der Link zur Homepage: www.silentpoem.de

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