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Blackfield Festival am 20./21.06.09 im Amphitheater Gelsenkirchen

Das hier wird ein längerer Eintrag, befürchte ich zumindest, schließlich muss ich hier ein ganzes, zweitägiges Festival begutachten. Also dann mal aufi! Bisher hatten wir uns von den großen Festivals eher ferngehalten. Ich mag diese Riesenkonzerte einfach nicht, wo man nur ein kleines Männchen auf der Bühne sieht und sagen kann: "Ach, dass ist der XY? Toll." Und Festivals mit mehr als einer Bühne finde ich auch ziemlich doof, habe ich doch meist das Problem, dass dann zwei Bands, die ich sehen will, gleichzeitig spielen. Die Entscheidung für das Blackfield fiel eigentlich auch nur - zumindest bei mir - weil VNV Nation da recht früh als Act feststanden und ich die unbedingt mal wieder live sehen wollte. Also wurden Karten zum Frühbucherrabatt gekauft und wir ließen uns überraschen, wer sonst noch dazu kommen würde. Keine unangenehme Überraschung, soviel kann ich schon mal verraten. :-)

Zum Festival an sich

Mal ein paar Bemerkungen zu den Rahmenbedingungen: Die Location ist wirklich ein Highlight, super schön gelegen und für Konzerte echt prädestiniert. Das Amphitheater bietet auch kleinen Personen (wie mir) die Chance nicht vorne im Getümmel stehen zu müssen, um die Bühne sehen zu können. Zwischendurch kann man sich auch mal bequem (naja, okay ein Sitzkissen ist zu empfehlen) auf die Stufen hocken und ein bisschen entspannen. Soundtechnisch liegt man auf allen Plätzen genau richtig, zumindest ist das unser Eindruck. Einlass und Bändchenausgabe funktionierten relativ zügig, allerdings nicht ganz ohne Probleme. So erhielt Maik ein Camping-Bändchen, obwohl wir nur Festivaltickets hatten, und scheinbar war einigen Leuten an der Ausgabe nicht klar, ob Camper nur ein ebensolches Band bekommen sollten oder zusätzlich noch das orange für das Festival. War teilweise lustig die Farbkombinationen an den Armen zu beobachten.

Besonders positiv möchte ich hier mal die Security erwähnen: Selten habe ich so professionelle, aber gleichzeitig so nette Leute dort erlebt. Die haben ihren Job gut gemacht, vernünftig kontrolliert, waren aber nie unfreundlich und von unserer Essensausstattung sehr angetan. ("Der hat sogar Cocktailtomaten mit!" - Sorry, wir haben nicht schnell genug geschaltet, sonst hätten wir eine angeboten.) Die Auswähl an Ständen zum Einkaufen für Zwischendurch war auch sehr nett und schön fand ich ebenfalls, dass es ein ausgewogeneres Angebot an Fressalien gab, als man es von anderen Veranstaltungen dieser Art gewohnt ist. Nett auch, dass ein zentraler Merchandisingstand da war, an dem Nicole und ich erst mal in Sachen VNV-Nation T-Shirts zuschlugen. ASP warteten sogar mit einem eigenen Stand auf, das nenn ich mal Fanfreundlichkeit. Schade nur, dass manche Bands den Merchstand so gar nicht oder kaum nutzten: Meine Hoffnungen auf ein T-Shirt von Mesh, Suicide Commando, Project Pitchfork oder Apoptygma Bezerk zerschlugen sich damit leider. Naja, wir waren ja auch zum Musikhören und Feiern da und deshalb folgen jetzt, sortiert nach Running Order die Eindrücke von den aufgetretenen Bands.

Samstag, 20.06.:

Kloq

durften den Anfang machen. Kannte ich bisher nicht, haben aber gut gerockt und ne nette Mischung aus Elektronik und Rock präsentiert, die zumindest mir sehr gut gefallen hat. Darüber hinaus hat uns der Sänger zum lustigen Ratespiel "Welche Nationalität hat er wohl?" animiert. Nicole tippte auf Ami, wegen dem häufigen Fluchen. Ich dachte eher Engländer, habe mich dann aber von der Sonnenbrille (die nicht wirklich nötig gewesen wäre) täuschen lassen. Der erste Eindruck war aber wohl richtig, er war Brite. ;-)

Staubkind

waren für mich eins der Highlights des Festivals, mussten aber leider schon so früh auf die Bühne. Haben aber gezeigt, warum ich sie für eine ausgezeichnete Liveband halte und - ganz ehrlich - es war schon recht ordentlich voll für die frühe Zeit. Allerdings sollte der Sänger einmal lernen bei seinen Ansagen lieber "Lied" als "Song" zu sagen, der gute spricht das nämlich immer mit weichem "s" aus, so wie das in sechs.

Destroid

klangen auf die Entfernung nach guten, aber sehr harten elektronischen Sounds. Leider waren mir die ein wenig zu früh am Tag und meine Mitstreiter hatten überhaupt keine Lust auf Bässe, die einem durch und durch gehen. Daher kann ich nichts weiter zu denen schreiben, sorry.

fetisch:Mensch

haben für uns das Zitat des ersten Festivalstages geliefert. "Die Jungfrauen waren vorsichtshalber vergewaltigt worden..." ??? Fragende Blicke nicht nur von uns, sondern auch von mehreren Umsitzenden ("Manchmal ist es doch besser, die würden auf französisch oder englisch singen."). Tja, vielleicht haben wir den tieferen Sinn von "Schwarzer Schnee" nicht so wirklich verstanden. Ansonsten ein durchaus gelungener Auftritt, allerdings hat mir der Zeitrahmen auch voll und ganz gereicht. Eben doch "Goethes Erben mit Gitarre", geniale Texte, aber auf Dauer anstrengend und deprimierend.

end of green

sorgten dafür, dass wieder mehr gerockt wurde im Amphitheater. Die Jungs waren ganz nett, allerdings ein sehr krasser Wechsel zum Vorgänger. Ich würde dem Sänger nur raten die Growls zu lassen, hat er nicht nötig, verfügt er doch eigentlich über eine sehr schöne und aus dem Metall-Einheitsbrei herausragende Stimme. Fazit: ausbaufähig.

ROTERSAND

kommen aus Gelsenkirchen und durften daher die Rolle des Lokalmatadoren übernehmen. ("Mama, wir sind zuhause!"). Ich hatte sie schon mal beim Bochum Total gesehen und in guter Erinnerung, was die Live-Qualitäten der Jungs angeht. Ich sollte auch diesmal nicht enttäuscht werden, das war ein Auftritt, der sogar Leute begeistern konnte, die sonst eher weniger auf elektronische Musik stehen, wie Maik. Schade, war fast ein wenig zu kurz.

Zeraphine

hatten mich mit den ersten beiden Alben sehr begeistert, sind danach aber irgendwie ziemlich eingebrochen. War einer der enttäuschensten Auftritte des ganzen Festivals für mich. Es kam nichts von der Bühne rüber, "Be my rain" wurde solide heruntergedudelt, das wars. Hätte ich nicht gebraucht und habs mir auch nur angeguckt, damit unsere guten Plätze nicht nachher weg sind.

Project Pitchfork

wurden von mir sehnlichst erwartet. Ich mag die schon seit Jahren und das letzte Album hat mich endlich wieder richtig begeistert. Live hatte ich schon einmal das Vergnügen, damals waren die gähnend langweilig und arrogant. Dies war also ihre zweite und letzte Chance... die sie grandios nutzten. Peter war in Mordslaune, unterhielt das Publikum und machte den Auftritt zum vorläufigen Höhepunkt des ersten Tages. Überraschend für mich, dass sie die ganzen alten, tollen Songs spielten und nur einen vom neuen Album. Endlich mal tanzen zu den live Versionen von "Requiem" und "Alpha & Omega". Hätten sie noch "IO" gespielt, wäre es die perfekte Setliste gewesen. So nur zu 99% perfekt. Trotzdem: Peter, ihr habt einen alten Fan wiedergewonnen.

Diary of Dreams

streiten sich für mich mit Zeraphine um den Titel "schlechtester Auftritt des ganzen Festivals". Ich glaube sie gewinnen ihn bei vor allem deshalb, weil ich so gute Erinnerung an vergangene Konzerte von denen hatte. Aber das da? Wer war denn der Knilch am Keyboard, der mitkrähen und mit seiner miesen Performance jeden Song verhunzen musste? Und seit wann muss Adrian auch noch mit ner Gitarre rumhampeln? Nee, Leute sorry, ich habe diese Band mal sehr gemocht, aber das war einfach nur schlecht.

VNV Nation

waren ja der Grund für mich, überhaupt Karten zu kaufen. Keine Fehlentscheidung, sondern goldrichtig. Wenn es jemand schafft, ein ganzes Amphitheater voller Menschen dazu zu bekommen zu tanzen und auszuflippen, dann Ronan und Marc. Als sie anfingen, dachte ich erst, ich höre nicht richtig: Die spielten tatsächlich mit "Honour" einen der Super-Kracher-Songs zu Beginn. Mutig, mutig, wie wollen sie das denn wohl toppen? Oh, Asche auf mein Haupt ob der Zweifel, natürlich konnten sie das steigern. Ohne Zweifel würdige Headliner mit einen gutgelaunten, tanzenden und die Leute unterhaltenden Ronan. Ein Mitglied der "V.I.P-Nation" sagt danke für den tollen Auftritt!

Sonntag, 21.06.:

Dope Stars Inc.

waren die erste Band des zweiten Tages und wir bereuten nicht länger im Bett geblieben zu sein. Puuh, die waren nicht toll, nein wirklich nicht. Elektro-Rock mit ziemlicher Glamattitüde, allerdings klingen die schrecklich kastriert und langweilig. Den Stil hab ich von Bands wie Zeromancer schon besser gehört. Nee, die brauch ich nicht noch mal.

Santa Hates You

ist das Nebenprojekt von Peter Spilles, dem Frontmann von Project Pitchfork, daher war ich sehr interessiert, ob er den guten Eindruck vom Vortrag bei mir wiederholen können würde. - Er konnte und wie. Sehr hart, sehr düster, aber absolut toll. Mehr davon! Ich hoffe, er ist mit dem Projekt erfolgreich.

Faun

kannten wir ja (leider) schon seit ihrem Auftritt bei einem Bochum Total. Schon damals war bei mir der Funke nicht so richtig übergesprungen und auch diesmal schafften sie es nicht. Ich finde es wirklich toll, was die machen und von ihrem Handwerkszeug her sind die sicher auch alle hervorragende MusikerInnen und SängerInnen, aber ich kann mich nicht für die begeistern. Wahrscheinlich liegt dies an der Person von Sänger und Mastermind Oliver S. Tyr, den ich einfach nicht abkann. Punkt, Ende, Aus. Der Typ ist schrecklich - und kann noch nicht mal richtig deutsch. Lieber Oliver, der Komparativ wird im Deutschen immer mit "als" gebildet, also zum Beispiel besser als, schöner als. Andere Konstrukte mit wie oder als wie, wie von Dir verwendet sind falsch, auch auf der Bühne. Und ein zweiter Tip: Setlisten selber schreiben oder sich zumindest vorher drum kümmern, erspart einem selbst und dem Publikum Ansagen wie "Ich muss jetzt ein Lied singen? Welcher Idiot hat den die Setliste geschrieben?". Das einzig positive an dem Auftritt war, dass wir vor dem von uns seit dem damaligen Bochum Total Auftritt so titulierten, kreischenden Fanclub "Team-Oliver" verschont geblieben sind.

Frozen Plasma

hatten mir vorher nichts gesagt, haben aber einen bleibenden sehr positiven Eindruck hinterlassen. Super Melodien, guter Sänger und ne durchaus witzige Show, die vor allem davon lebte, dass der Sänger was von nem Aerobictrainer hatte. Sowohl bei seinen Bewegungen als auch in seiner Art das Publikum zum Mitmachen zu animieren. Ich musste feststellen, dass ich sogar doch einen Song von denen kannte (und mag): "Warmonger" (auf deutsch: Kriegstreiber - gleich mal wieder das Englischvokabular mit unnützen Wörtern aufgefüllt). Würde ich mir sehr gerne mal als komplette Show ansehen.

Letzte Instanz

waren trotz der frühen Zeit, zu der sie spielten, ein Highlight. Ich hatte aber auch nichts anderes erwartet, wir kennen die guten Livequalitäten der Mannen um Sänger Holli ja schon sehr gut. Diesmal war es zwar ein für mich zu kurzer Auftritt, aber trotzdem war es verdammt gut und hat Spaß gemacht. Doof nur die Dame hinter uns, die Maik tatsächlich nach dem ersten Song fragte, ob er sich nicht wieder setzen könnte, da sie sonst sitzend nichts mehr sehen könne....??? Mädel, das war kein Kindergeburtstag und keine Sitzveranstaltung. (Nicole und ich fühlten uns daraufhin genötigt, Solidarität zu bekunden und ebenfalls aufzustehen. Soviel zum Erfolg der Hinter-uns-Sitzenden.) ;-) Nach drei weiteren Songs unterlegt mir Gemecker von hinten, wurde weiter nach links gerückt und alle waren wieder zufrieden. 

IAMX

sind ein Zweitprojekt des Sängers der Sneaker Pimps, die ich vor einigen Jahren mal als Vorband von Placebo gesehen habe. Damals fand ich die ganz gut, nur jetzt war mir dieses Projekt ein wenig zu anstrengend. Nach zwei Stücken hatte man sich auch am gewöhnungsbedürftigen Outfit der Akteure gewohnt und auch keinen Spaß mehr am Zugucken. Mir waren die Songs zu monoton und zu lang. Würde ich mir nicht nochmal anschauen.

Suicide Commando

wollte ich immer schon mal live sehen. Gespannt war ich darauf, wie die elektronischen Songs live wirken würden. Oh yeah, ich sollte nicht enttäuscht werden, der Meister des Verzerrers am Mikro und Lord der fast-ekelhaften Bilder zeigte allen, wo der Hammer hängt. Ein absolut genialer Auftritt, der einige Leute von den Sitzen holte. Uns auch trotz Müdigkeit! Spätestens die Ansage zu "Hellraiser" gehört auch in die Zitatesammlung: "This is the fucking last time I play this fucking song." (So, we decided to move our f*** asses.) :-)

Mesh

gehören meiner Meinung nach mit zu dem besten, was es zur Zeit an Synthie-Pop-Bands gibt und waren auch diesmal wieder sehr gut. Sie präsentierten eine gelungene Mischung aus ihren Songs, leider fehlte für mich "Little Missile" als absolutes Highlight. Einziger Kritikpunkt: zu kurz, hätten länger spielen könnten.

Apoptygma Bezerk

wurden von mir heiß erwartet. Bisher hatte ich sie noch nie live gesehen, mag aber die Alben sehr gerne. Ich muss sagen, ich sah eine super Band mit einen absolut klasse Auftritt. Gute Mischung aus alten und neuen Songs, haben gut gerockt und auch Leute begeistert, die die Band bisher noch nicht kannten. Würde ich mir gerne mal als komplettes Konzert ansehen.

ASP

hatten die Ehre den krönenden Abschluss des Festivals darzustellen. Alexander, oh ups, nee, den Namen soll man ja nicht sagen... Also nochmal: ASP und Mannen sorgten in gewohnt guter Mainer dafür, dass das Publikum ordentlich rockte. Kleiner Wehmutstropfen: ASPs Gesangsleistung hatte ich schon mal besser gehört, aber das schien mir daran zu liegen, dass er sich die meiste Zeit nicht richtig hören konnte. Schade und ein Punkt Abzug in der B-Note für die ansonsten gute Technik. Trotzdem war der Auftritt mal wieder super und ein schöner Ausklang eines rundum gelungenen Festivals. Bin gespannt, wer nächstes Jahr spielen wird, davon wird abhängen, ob wir wieder hingehen. Wollen würde ich schon. :-)

Eine kleine kritische Anmerkung noch zum Schluss: Es ist zwar problemlos möglich tagsüber zum Festivalgelände mit dem ÖPNV zu kommen, abends zurück entpuppt sich jedoch als kleines Abenteuer. Die Haltestelle am Amphitheater ist nur an eine NE-Linie angeschlossen und die bringt Richtung Essen nichts. Samstag haben wir einen etwas längeren Spaziergang gemacht und um 1:00 Uhr den NE erwischt. Sonntag mussten wir den um Mitternacht erwischen (danach fuhr nix mehr). Also nahmen wir ein Taxi bis zur Bushaltestelle, schon ein wenig dekadent, oder? Hier könnte man mal was verbessern, lieber Veranstalter, vielleicht ein Shuttlebus? Oder auch mal die Rückfahrgelegenheiten etwas besser recherchieren lassen (am besten nicht von einem Autofahrer) und mal auf die Website stellen.

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Horch und Guck: