Über die Absagen der Intel Friday Night Games in Stuttgart und Nürnberg hatten wir ja schon geschrieben. Die Hoffnung war groß, dass Karlsruhe als Ausweichort für Stuttgart dem Druck standhält. Der Karlsruher OB Heinz Fenrich hatte sich zunächst gegen den BW-Innenminister Heribert Rech (CDU) durchgesetzt und wollte das ESL-Turnier am 05.06.2009 stattfinden lassen. Ein Grund war u.a. auch, dass parallel eine Eltern-LAN stattfinden sollte. Aber zu früh gefreut, die eigene Fraktion im Karlsruher Gemeinderat machte massiv Stimmung und drohte (mit Unterstützung der Grünen!) am 26.05.2009 in der Gemeinderatssitzung der stadteigenen Karlsruher Messe und Kongress GmbH die Verträge aufzukündigen. Gestern war es dann soweit, der Veranstalter Turtle sagte die Veranstaltung in Karlsruhe ab.
Interessant an der ganzen Angelegenheit ist eigentlich, mit welchem Selbstverständnis die CDU an die Sache herangegangen ist. Getreu dem Motto, was nicht in unser Weltbild passt, gehört verboten, wird dazu aufgefordert und zur Not per Gemeinderratsbeschluss entschieden, dass rechtsgültige Verträge gebrochen werden sollen. Ingo Wellenreuther, CDU-MdB und Karlsruher CDU-Chef stellt eiskalt fest: "Solche Spiele sind mit dem Werteverständnis der CDU nicht vereinbar. Die Absage ist deshalb die einzig mögliche und richtige Konsequenz." Was also nicht in das "Werteverständnis" der CDU passt, gehört verboten. Waffen gehören zum Werteverständnis der CDU, denn die sollen ja auch nicht verboten werden, die brauchen die ja auch, um alles zu vernichten, was nicht ins CDU-Werteverständnis passt. Kaum zu glauben, dass so ein Subjekt mal Richter war... Unfassbar.
Dann ziehen Sie sich auch schon mal warm an. Ich hoffe Sie haben keine solche "Killerspiele" wie die Siedler, Age of Empires oder SpellForce zu Hause. Ja, das sind alles Strategiespiele und die wurden als Killerspiele abgestempelt. Da behauptet ein Herr Wellenreuther auch kackendreist weiter, dass es in den besagten Spielen (Warcraft 3 = Strategie = FSK 12 und CounterStrike = Shooter = FSK 16) darum geht "möglichst viel und möglichst grausam zu morden". Leider wurden, wie gesagt, auch die ElternLANs mit der E-Sprts-Veranstaltung abgesagt. Ziel dieser Veranstaltung ist es, Eltern und Lehrern unter pädagogischer Anleitung den Einstieg in die Medienwelt ihrer Kinder und Schüler zu erleichtern. Vielleicht hätte Herr Wellenreuther mit seinen Karlsruher Parteifreunden einfach mal die Chance ergreifen sollen und solch eine Info-Veranstaltung besuchen sollen.
Es ist schade, dass der Veranstalter nicht auf seine rechtmäßigen Verträge gepocht hat. Vielleicht sollte oder muss man hier die "demokratischen" Parteien einmal zwingen offen und protokollarisch zum Vertragsbruch auffordern zu lassen. Ein Kollateralschaden, der für den Karlsruher Bürger entstanden wäre mit inbegriffen: Schadenersatzzahlungen in sechstelliger Höhe. Es ist dem Veranstalter allerdings hoch anzurechnen, dass sie sich hier nicht instrumentalisieren lassen wollen, insb. nicht im laufenden Kommunalwahlkampf. Die Karlsruher (und alle anderen) Wähler können das Thema jedoch sehr wohl instrumentalisieren, mit ihrem Kreuz bei den nächsten Wahlen. Herr Wellenreuther freut sich auch über Nachfragen.
Die Karlsruher E-Sportler und E-Sport-Fans bleiben nicht unpolitisch und schweigen. Sie wollen am 05.06.2009 demonstrieren: "Da halten wir gegen! Demonstrieren wir dagegen, dass jeder mit uns machen kann was er will! Wir lieben unser Hobby - und aus uns werden keine Amokläufer! Es sind die Waffen die Menschen töten..." Wir hoffen das viele dem Aufruf folgen.
Informationsvideo für Herrn Wellenreuther, die Fraktionen im Karlsruher Gemeinderat und alle anderen:
Noch zwei Nachträge: In Karlsruhe wird ja soviel Polemik und Falschinformationen verbreitet, da kommt man gar nicht hinterher. Bei den IntelFridayNightGames wird der Jugendschutz beachtet! Wie wir aus eigener Erfahrung berichten können, wird sehr wohl und sehr genau auf das Alter der Besucher geachtet. Wie die Karlsruher CDU an solche Informationen gekommen sein will, berichtet sie leider nicht, aber das kennt man ja.
Das "Killerspiele" wiederholt mit dem Amoklauf in Winnenden in Verbindung gebracht werden, ist an Demagogie nicht mehr zu überbieten. Hierfür bestehen überhaupt keine Anhaltspunkte.
Update: Datum der Demo korrigiert. Es ist der 05.06. Danke, Norman!
Update: Glückwunsch an die Organisatoren der Demo: Das Thema geht so langsam durch die Presse und wird publik. Golem berichtet (m.W.) als erste darüber.
Aktuelle Informationen und Details zur Demo finden Interessierte unter Killerspielschublade aktion-jugendkultur.de.
Update: Es tickert gerade eine offizielle Pressemitteilung zu den Independent Friday Night Games (schicker Name!) am 05. Juni in Karlsruhe rein. Demnächst wird es auch eine neue Anlaufstelle geben: Alle Infos werden dann auf aktion-jugendkultur.de gehostet. Z.Zt. ist die noch Offline, bis dahin noch bei der Killerspielschublade informieren.
Noch etwas Lesestoff für Herrn Wellenreuther & Co. (kann man auch ausdrucken):
Eltern-LANs verringern die Generationenkluft: Politiker schimpfen über 'Killerspiele', Eltern sorgen sich wegen Counter-Strike. Dabei wissen viele Eltern und Lehrer nicht genau, was in solchen Spielen passiert. Eltern-LANs sollen da Abhilfe schaffen. Arne Busse, ein Organisator von Eltern-LANs, erklärte Golem.de das Konzept.
Die Erfahrungen, die Arne Busse gemacht hat, wie die Eltern LANs die Rezeption bei den Besuchern beeinflussen können, haben wir auch selber schon gemacht. Hierbei kann man nicht feststellen (und das ist auch gar nicht das Ziel), dass Eltern (und Lehrer und Politiker...) nun hellauf begeistert sind von CounterStrike & Co. und selber zum Zocker werden. Aber dass sie einen besseren Einblick in die Spiele und die Jugendkultur erhalten und (versuchen) zu verstehen, was an Computerspielen so fasziniert, und dass hier nicht massenweise Amokläufer produziert werden.
Update: Stigma Videospiele hat einen netten Flyer (pdf) gemacht, den man auch ausdrucken kann:
Man kennt die Situation. Im Bekanntenkreis unterhält man sich über Videospiele und unweigerlich werden auch 'Killerspiele' angesprochen, die ja jeder Amokläufer gespielt hat. Man selbst weiß nicht wo und ob man mit einer Erklärung anfangen soll oder besser den Mund hält. Nun besteht eine weitere Alternative: Einfach den Flyer herunterladen, ausdrucken und der Zielperson in die Hand drücken.
Als Zielpersonen (darf man das so im Zusammenhang mit Killerspielen eigentlich sagen? :-) ) eignen sich natürlich auch hervorragend unsere Politikerkaste. Da wird der Herr Wellenreuther & Co. einmal darüber aufgeklärt, wie das mit dem "möglichst vielen und möglichst grausamen morden" in CounterStrike funktioniert.
Update: Endlich hat auch der Spiegel Wind von der Sache bekommen: "Schließbefehl für Counter-Strike" - Ein Drama in fünf Akten, welches auch noch mal schön das Demokratieverständnis der Wellenreutherschen CDU darstellt. Als Nachspiel wird auch noch mal auf die Demo hingewiesen, die inzwischen genehmigt ist.
Update: 400 bis 500 Gamer waren in Karlsruhe, spontan schlossen sich auch einige Passanten an. Ein paar Bilderchen und Videos gibt es auch. Norman rockt heute bei SPON.
Update: Herr Wellenreuther erklärt noch mal sein Verständnis von Demokratie.
Update: Es folgt mal wieder ein längeres Update: Die CDU zeigt auch im betulichen badischen Karlsdorf-Neudorf, wo der Hammer hängt und verbietet urplötzlich die 14. Ausgabe einer Lan-Party. Nach dem man ganz demokratisch mit der Polizei, die sich noch nie auf den Lan-Partys blicken ließen (mussten) und den Leerkörpern der anreinenden Grund- und Hauptschulen, die es ebenfalls nie für nötig hielten solch eine Veranstaltung zu besuchen aber meinen über eine Veranstaltung ab 18 Jahren urteilen zu dürfen, geplaudert hat wurde mal wieder untersagt Spiele mit FSK ab 12 und 16 nicht zuzulassen und damit eine Veranstaltung, welche nur für Besucher ab 18 Jahren freigegeben ist jeder Grundlage zu entziehen. Tolle Wurst. Es gibt übrigens mal wieder eine Demo und die Karlsruher Gamer haben sich auch schon solidarisch erklärt. Und während der Verein, der die Lan-Party veranstaltet nun ums finanzielle überleben kämpft laufen die Vorbereitungen für das 30. Jugendturnier des örtlichen Schützenvereins munter weiter. Das nennt man konsequent in der CDU.