Sie sind hier

Hoffnungslos unterversicherte Atomkraftwerke [Update #2]

Spätestens die GAUs von Tschernobyl und Fukushima* haben gezeigt, dass die Kernkraft eine teure Angelegenheit sein kann. Für den Staat und seine Bürger, nicht für die Betreiber. Letztere verdienen prächtig an künstlich günstig gehaltenem Strom. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat die direkten Subventionen einmal (konservativ) ermittelt und kommt auf etwa 200 Mrd. Euro seit 1950. Umgerechnet bedeutet dies etwa 4 ct. pro kWh Strom. Rechnet man die indirekten Subventionen in Form von nicht internalisierten externen Kosten hinzu, so wäre der Atomstrom teurer als Braun- oder Steinkohle, Wasser- oder Windkraft. Die Mär vom billigen Atomstrom lässt sich nur unter Ausblendung der tatsächlichen Kosten aufrechterhalten.

Aber zurück zu den Kosten, die durch einen GAU entstehen könnten. Diese sind in den obigen Zahlen noch überhaupt nicht enthalten. Die FDP hat das mal ausrechnen lassen (eine Studie von 1992 im Auftrag des FDP-geführten Wirtschaftsministeriums) und diese Kosten würden in Deutschland mit 5 bis 8 Billionen Euro etwa das 2,5- bis 4-fache der aktuellen Staatsverschuldung betragen und würden selbst die in einem Jahr erwirtschafteten Waren und Dienstleistungen (BIP) übersteigen.

Selbst wenn die Betreiberfirmen mit ihrem Gesamtvermögen für einen GAU haftbar gemacht werden würden, würde dieses Geld nicht ausreichen die Schäden zu decken. Können die Betreiber nicht die Schäden regulieren und soll der Steuerzahler nicht hierfür einspringen, bleibt neben der Schließung eigentlich nur eine Versicherung.

Die Prämien sind wahrscheinlich aber so hoch (im günstigsten Fall: Eintrittswahrscheinlichkeit mal Schadenshöhe), dass sich der Abschluss für die Betreiber nicht lohnt. Auf den Strompreis umgelegt, wäre dieser wohl nicht mehr wettbewerbsfähig und/oder die Prämienzahlungen würden die Gewinne der Betreiberfirmen aufzehren.

Nehmen wir beispielhaft einmal die Firma RWE und die Eingangs kolportierte Schadenssumme von 5 Billionen Euro. Bereits bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit für einen GAU von 1% müssten die Versicherungsprämien (für lediglich ein AKW!) mindestens so hoch sein wie der komplette Jahresumsatz der RWE AG; bei einer 0,1%-igen Wahrscheinlichkeit, würde RWE mehr als den gesamten Jahresgewinn zur Versicherung tragen. Auf die drei noch in Betrieb befindlichen AKW der RWE umgerechnet würde bereits ab einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 0,03% der gesamte Konzerngewinn aufgezehrt.

Dies zeigt, dass sich die Versicherung für die Kernkraftwerksbetreiber nicht lohnt. Dies zeigt aber auch, dass eine Versicherungspflicht (wie im übrigen auch vom Atomkraftprediger Hans-Werner Sinn gefordert) nur zu einem sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie führen würde - aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen.

In der Debatte um den Atomstrom zeigt sich einmal mehr, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Er sollte nicht in den Markt eingreifen, sondern nur die Rahmenbedingungen setzen. Diese marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen dazu führen, dass die Energieträger ihre tatsächlichen Kosten auch tragen müssen. Bei der Atomenergie wäre dies neben der Entsorgung auch mögliche Schäden durch einen GAU. Wenn die Unternehmen für etwaige Schäden nicht aufkommen können, dann gehört im Rahmen einer Verschuldens- oder Gefährdungshaftung auch die Versicherungspflicht, wie dies bspw. auch beim Betrieb eines Fahrzeugs der Fall ist.

Letzteren Ansatz verfolgt auch die Aktion von .ausgestrahlt. Diese fordert eine Haftpflicht für Atomkraftwerke. Wer sich der Argumentation für eine verursachergerechte Kostenbeteiligung anschließen möchte, der kann dort den Appell unterzeichnen.

Update, 11.05.2011: Es gibt eine weitere Studie (pdf) zu den Kosten der Atomkraft. Das Versicherernahe "Versicherungsforen Leipzig" hat im Azftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energien berechnet, das Atomkraft im Prinzip nicht versicherbar ist. Sie bestätigen im Großen und Ganzen die Ergebnisse der FÖS-Studie und kommen auf einen maximalen Schaden von 6 Bilionen Euro, der, müsste er versichert werden, den Strompreis - je nach Versicherungsmodell - den Strompreis auf bis zu 2,30 Euro erhöhen wüde. (Berichte über die Studie gibt es u.a. bei TP, FR und Spon)

Update, 10.11.2012: Der FÖS hat einmal die gesamtgesellschaftlichen Kosten aller Energieträger berechnet (pdf). Die Atomenergie ist hier am teuersten, noch vor dem (aufgrund der EEG-Umlage) vielbescholtenen Solarstrom. (via)

* Entgegen der üblichen Gepflogenheit verwende ich nicht den Begriff Super-GAU, da ein größtmöglicher anzunehmender Unfall nicht steigerungsfähig ist. Ein Super-GAU sollte eigentlich besser "größter, über die Vorstellungskraft hinausgehender Unfall" oder "größter nicht mehr beherrschbare Unfall" lauten.

Maik Hetmank: